Seine vielfältigen Erfahrungen haben ihn zu einem aufgeschlossenen Küchenchef gemacht, der sich gerne mit verschiedenen Kulturen und Zutaten auseinandersetzt; das französische Menü des Restaurants, das mit japanischer Präzision angerichtet wird, ändert sich je nach den saisonal verfügbaren Zutaten. Das Sezánne debütierte 2023 auf der Liste der The World´s 50 Best Restaurants, belegte dort im Jahr 2025 den 7. Platz auf der renommierten Liste und erreichte 2024 den ersten Platz bei den Asias 50 Best Restaurants.

Daniel Calvert
„Man erwartet von uns, dass wir überraschen“ – Das Interview mit Daniel Calvert
worlds of food: Daniel, Sie sind als ausländischer Koch in einem Land mit unglaublich starker kulinarischer Tradition und einer enormen Dichte an exzellenten Köchen sehr jung und sehr schnell an die Spitze gekommen. Wie fühlt sich das an?Daniel Calvert: Ich war vorher in Hongkong und hatte dort bereits eine erfolgreiche Karriere. Aber ich wusste: Wenn ich es in Japan schaffe, kann ich es überall schaffen. Das war mein innerer Antrieb. Dass es so gut läuft, hätte ich nicht erwartet – aber ich vergleiche mich auch nicht mit anderen. Es geht mir nicht um Konkurrenz, sondern darum, etwas Eigenes zu erschaffen. Wenn man etwas serviert, das es so auch im Nachbarrestaurant gibt – dann sollte man sich Sorgen machen.
Ist die Zukunft Ihrer Fine-Dining-Küche also von Kreativität getrieben?
Definitiv. Die Gäste erwarten auch Innovation. Bei uns kommen viele Stammgäste, die sich jedes Mal auf neue Gerichte freuen. In traditionellen japanischen Lokalen ist es okay, jedes Jahr das Gleiche zu servieren – bei uns nicht. Kreativität ist also essenziell, wenn man relevant bleiben will.
Was macht Japan für Sie so besonders als Standort?
Die Qualität der Zutaten ist unfassbar gut. Dazu kommt ein tolles Team und viele Gäste, die wirklich interessiert und unterstützend sind – sowohl lokal als auch international. Ich glaube, wenn man ein guter Mensch ist, bekommt man viel zurück.
Gibt es noch weitere Länder, die Sie reizen würden – zum Arbeiten oder Erleben?
Nicht zum Arbeiten – ich eröffne keine weiteren Restaurants. Aber rein kulinarisch finde ich China extrem spannend. Ich denke, es ist noch immer ein unterschätztes Land, was regionale Küche betrifft. Viele westliche Köche entdecken gerade die Vielfalt chinesischer Techniken und Aromen. Im Gegensatz dazu wirkt japanisches Essen – mit Yuzu, Lachs, Wasabi – fast schon „verbraucht“.

Alle Spitzenköche, die im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants in Turin ausgezeichnet wurden
Welche Veränderungen beobachten Sie denn in der japanischen Fine-Dining-Szene?
Die Entwicklung ist vorsichtig. Es ist ein konservatives System, das sich generell schwer tut mit Neuerungen. Vielleicht gibt es heute mehr weibliche Köchinnen – das ist ein kleiner Fortschritt. Aber insgesamt bleibt es sehr klassisch. Interessanterweise zeigen japanische Köche ihre Kreativität heute oft eher im Ausland – etwa in New York oder London mit großartigen Sushi-Restaurants. Die traditionelle Kaiseki-Küche dagegen lässt sich schwer außerhalb Japans „übersetzen“. Die Atmosphäre, der Kontext – all das geht anderswo oft verloren.
Welche Pläne haben Sie selbst außerhalb des Sézanne?
Keine konkreten. Ich glaube, besonders in Japan wollen Gäste den Chef im Restaurant sehen. Ich bin kein Fan von wildem Expansionismus. Wenn ich mal etwas machen sollte – vielleicht ein Fried-Chicken-Laden oder ein kreatives Café –, dann nur, wenn es mich wirklich interessiert. Ich bin kein Freund von Projekten, die nur dem Geld dienen. Davon gibt es in der Branche genug.
Wie gehen Sie mit Trends wie pflanzenbasierter Küche oder Allergien um?
Im Sézanne akzeptieren wir keine speziellen Ernährungswünsche. Das klingt hart, aber wenn man jedem Wunsch nachkommt, hat jeder Tisch ein anderes Menü – das ist nicht mehr machbar. Ich habe Respekt vor echten Intoleranzen, aber in Japan ist das selten. Hier essen die Leute seit jeher vielfältig – und sind weit weniger empfindlich als im Westen.

Derk Hoberg (li.) traf Daniel Calvert in Turin
Sie erwähnten, dass es in Japan inzwischen mehr Köchinnen gibt – haben Sie auch welche im Team?
Ein paar, ja – aber nicht so viele, wie ich es mir wünschen würde. Ich glaube, es liegt nicht an mangelnder Kompetenz, sondern an der Struktur des Berufs. Es ist hart, körperlich wie zeitlich. In der Patisserie sieht es besser aus – was kurios ist, denn dieser Bereich ist mindestens genauso anspruchsvoll. Ich hoffe sehr, dass sich hier noch etwas bewegt.
Welche Rolle spielt bei Ihnen die Saisonalität? Besonders die japanische Idee der „Mikro-Saisons“ ist in Deutschland noch recht unbekannt…
Eine enorme! Es ist aber auch eine echte Herausforderung. Die Jahreszeiten sind in Japan so kurz, dass ein Produkt oft schon wieder weg ist, bevor du das Gericht perfekt ausgearbeitet hast. Wir arbeiten deswegen oft ein Jahr im Voraus, um Konzepte zu entwickeln. Aber genau das macht die Arbeit hier so besonders. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, sind wir in zehn Jahren ein viel besseres Restaurant – auch wenn wir dann vielleicht nicht mehr auf Platz 1 stehen. Das wird unser Weg in die Zukunft sein.
Daniel, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Alle weiteren Informationen unter: www.theworlds50best.com und www.sezanne.tokyo
Zur Interview Reihe "Die Zukunft des Fine Dining"

Im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin stellten sich die folgenden Köchinnen und Köche den Fragen der internationalen Presse:
V.l.n.r.: Daniel Calvert vom Restaurant Sézanne, Ellia Park und Junghyun ‘JP’ Park aus dem Atomix (New York City), Alejandra Flores (Quintonil), Pía León, die das Kjolle betreibt, Jorge Vallejo (ebenfalls Quintonil) und Eric Kragh Vildgaard aus dem Jordnær.
Hier geht es zum Interview mit Eric Vildgaard
Hier geht es zum Interview mit Pía León
Hier geht es zum Interview mit JP und Ellia Park