Jorge Vallejo aus dem Quintonil (Mexiko City) im Interview The World´s 50 Best Restaurants
The World´s 50 Best Restaurants - Die Zukunft des Fine Dining, Teil 5

Jorge Vallejo aus dem Quintonil (Mexiko City) im Interview

Im Rahmen der Bekanntgabe der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin (Piemont) sprach worlds of food mit internationalen Spitzenköchinnen und -köchen über ihre Ansichten zur Zukunft des Fine Dinings. Im letzten Teil dieser fünfteiligen Interview-Reihe sprechen wir mit Jorge Vallejo und seiner Frau Alejandra Flores, die eines der besten Restaurants Mexicos leiten, das auf der Liste der The World´s 50 Best Restaurants 2025 auf Platz 3 landete. Ein Gespräch über die Zukunft der Gastronomie, Mexiko als kulinarisches Kraftzentrum und molekulare Experimente mit dem Mais-Pilz Cuitlacoche.

Das Quintonil ist die Bühne für die avantgardistische mexikanische Küche von Chefkoch Jorge Vallejo und die außergewöhnliche Gastfreundschaft seiner Frau Alejandra Flores. Mit dem Fokus auf frische, lokale Zutaten sowie traditionelle mexikanische Aromen und Techniken, die in moderne Zubereitungen eingeflochten werden, ist das Restaurant bereits dabei, sich zu einem modernen Klassiker zu entwickeln.

Der ehemalige Gewinner des Estrella Damm Chefs' Choice Award, Jorge Vallejo, hat in Mexiko Management und Kochkunst studiert, bevor er auf Kreuzfahrtschiffen und anschließend in Spitzenrestaurants wie dem Noma und im Pujol arbeitete. Er eröffnete das Quintonil im Jahr 2012 zusammen mit Flores, die einen Master in Hospitality Management der renommierten Les Roches School in der Schweiz hat und zuvor als operative und kommerzielle Direktorin für die Enrique Olvera Group arbeitete. Das charismatische Duo bietet eine gelungene Kombination aus Wärme, Energie und hervorragendem Essen, die die Gäste immer wieder zurückkehren lässt.

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Alexandra Flores und Jorge Vallejo bei den The World´s 50 Best Restaurants 2025

Das Interview mit Jorge Vallejo & Alejandra Flores: "Gastronomie muss nicht immer Fine Dining sein"

worlds of food: Jorge, Alejandra – vielen Dank für eure Zeit. Beginnen wir direkt mit der großen Frage: Wohin entwickelt sich das Fine Dining in Zukunft?

Jorge Vallejo: Das ist wirklich eine schwierige Frage. Viele denken beim Thema „Zukunft des Fine Dining“ zuerst an das, was auf dem Teller liegt – oder an das Erlebnis im Gastraum. Aber ich glaube, der eigentliche Wandel findet innerhalb der Restaurants und in der Küche selbst statt. Es geht darum, eine Gemeinschaft aufzubauen – Menschen, die voneinander lernen wollen, die gemeinsam wachsen, hart arbeiten und dabei wieder Freude am Kochen, Lernen und an Teamwork empfinden.

Alejandra Flores: Und diese nächste Generation – nicht nur in der Gastronomie, sondern in vielen anderen Branchen – hat ein neues Verständnis davon, was „hart arbeiten“ bedeutet. Die Idee vom Leben nur für die Küche ist überholt. Es geht jetzt auch um Balance: zwischen persönlichem und beruflichem Leben, zwischen Leidenschaft und Gesundheit.

Also mehr Fokus auf Work-Life-Balance auch in den Küchen?

Jorge Vallejo: Ganz genau. Die Küche darf kein Ort mehr sein, an dem man sich aufreibt. Wenn wir die nächste Generation für Fine Dining begeistern wollen, müssen wir neue Wege gehen – auch was die Kultur in den Küchen angeht.

Und wie verändert sich das Fine Dining für die Gäste?

Alejandra Flores: Die Menschen suchen heute mehr nach Erlebnissen als nach Etikette oder Sternen. Und diese Erlebnisse können überall stattfinden – auch an einem Straßenstand. Die Qualität, die Handwerkskunst, die Geschichten hinter den Produkten – das zählt. Deshalb ist es auch so spannend, wie sich Gastronomie gerade insgesamt weiterentwickelt. Es geht nicht mehr nur um die Spitze, sondern auch um die Breite.

Stichwort Breite – Mexiko wird oft als das „neue große kulinarische Reiseziel“ bezeichnet. Wie seht ihr das?

Jorge Vallejo: Total verdient! Wir haben eine unglaubliche Vielfalt. Viele vergessen, wie groß Mexiko ist – geografisch, klimatisch und kulturell. Wir haben Wüste, Dschungel, Ozeane, Hochland – und jede Region bringt eigene Produkte und Geschmäcker hervor.

Alejandra Flores: Und genau das ist unsere Stärke. Die Diversität, die Tiefe unserer Küche – das gibt es kaum irgendwo sonst. In Mexiko bekommst du einfach alles: Boutique-Hotels, Küstenparadiese, moderne Architektur, Kunst, Spirituosen – und darüber hinaus diese ehrliche, regionale Küche, die plötzlich internationale Anerkennung bekommt. Ein gutes Beispiel ist das „Expendio de Maíz“ – ein ganz kleines Restaurant, das komplett mit Mais arbeitet – und kürzlich mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.

Jorge Vallejo: Was dort passiert, ist kein Trend, sondern eine Bewegung. Kleine Orte, die unglaublich tiefe Aromen auf den Teller bringen – mit drei Zutaten oder mit einer Sauce, in der plötzlich hundert Dinge stecken. Das ist das wahre Potenzial. Wir glauben an Gastronomie als Ganzes, nicht nur an Fine Dining.

Nutzt ihr in eurem Restaurant moderne Küchentechniken?

Jorge Vallejo: Ja, unbedingt. Wir arbeiten mit einem Wissenschaftler für Nanotechnologie zusammen – kein Koch, sondern ein echter Forscher, der mit uns neue Techniken entwickelt. Früher war ich bei manchen Dingen skeptisch – zum Beispiel bei Fermentationen. In Mexiko haben wir fast immer frische Produkte. Aber jetzt wenden wir diese Methoden auf unsere Zutaten an – und bekommen völlig neue Ergebnisse.

Alejandra Flores: Zum Beispiel fermentieren wir jetzt Cuitlacoche, also einen Maispilz, mit einer Methode namens Agarum. Das Ergebnis ist ein unglaublich süßer, klarer Pilzfond – perfektes Pairingmaterial. Oder einen Jus aus schwarzem Tee und Honig aus dem Dschungel Yucatáns. So entstehen neue Geschmacksebenen mit traditionell mexikanischen Zutaten.

Jorge Vallejo: Die Zusammenarbeit entstand ganz organisch: Der Wissenschaftler war eigentlich Gast, hat mit einem unserer Sommeliers gesprochen und gefragt, ob er während seines Masterstudiums bei uns mitarbeiten kann. Wir haben sofort gesagt: „Klar, willkommen!“ Heute hebt er unsere Küche auf ein neues Level.

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Abschließend: Wenn ihr euch die Zukunft der Gastronomie in einem Satz vorstellen müsstet – wie würde er lauten?

Alejandra Flores: Die Zukunft liegt nicht nur im Fine Dining, sondern in der Anerkennung und Weiterentwicklung aller kulinarischen Ausdrucksformen.

Jorge Vallejo: Genau. Vom Taco auf der Straße bis zum molekular inspirierten Degustationsmenü – solange es authentisch ist und mit Respekt gemacht wird, gehört es zur Zukunft der Gastronomie.

Vielen Dank euch beiden – für eure Zeit, eure Leidenschaft und diese spannende Perspektive auf die kulinarische Welt!

Alle weiteren Informationen unter: www.theworlds50best.com und quintonil.com

Zur Interview Reihe "Die Zukunft des Fine Dining"

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Im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin stellten sich die folgenden Köchinnen und Köche den Fragen der internationalen Presse:

V.l.n.r.: Daniel Calvert vom Restaurant Sézanne, Ellia Park und Junghyun ‘JP’ Park aus dem Atomix (New York City), Alejandra Flores (Quintonil), Pía León, die das Kjolle betreibt, Jorge Vallejo (ebenfalls Quintonil) und Eric Kragh Vildgaard aus dem Jordnær.

Hier geht es zum Interview mit Eric Vildgaard

Hier geht es zum Interview mit Pía León

Hier geht es zum Interview mit JP und Ellia Park 

Hier geht es zum Interview mit Daniel Calvert