
Tohru Nakamura (li.) und Julien Royer stoßen in der Küche auf den gelungenen Abend an
Im Odette in Singapur verbindet Julien Royer französische Präzision mit asiatischem Esprit, Tradition mit Leichtigkeit. Seine Küche erzählt Geschichten – von der Auvergne bis Singapur, von der Großmutter bis zum modernen Drei-Sterne-Restaurant. Und bei all dem bleibt sein Ziel unverändert: den Gästen unvergessliche Momente zu schenken. Beim Dinner im Drei-Sterne Restaurant Tohru in der Scheiberei (vom Guide Michelin im Juni 2025 ausgezeichnet) sprachen wir mit Julien Royer über sein Restaurant Odette in Singapur.

Das Interview mit Julien Royer
worlds of food: Herr Royer, wie würden Sie Ihre Küche in einfachen Worten beschreiben?Julien Royer: Die Basis ist französisch – das ist, wie ich kochen gelernt habe. Aber je länger ich in Asien lebe, desto mehr fließen dort Einflüsse ein: Techniken, Produkte, Aromen. Es ist französische Küche mit einem Hauch Asien, leichter, balancierter, persönlicher. Ich versuche, den Gästen eine Erfahrung zu bieten, die frisch und energisch wirkt, ohne die klassischen Werte der französischen Kochkunst zu verlieren.

Wie finden Sie dabei die perfekte Mischung aus Tradition und Innovation?
Für mich liegt diese genau in der Mitte: Tradition für Geschmack und Harmonie, Innovation für Überraschung und Persönlichkeit. Man muss die Grundlagen der französischen Küche beherrschen – Braten, Saucen, Jus – um danach eigene Wege zu gehen.
Wie sind Sie in Singapur gelandet, wo Sie Ihr Drei-Sterne-Restaurant Odette führen?
Es war eher Zufall und eine Gelegenheit zugleich. Ich arbeitete zunächst in Frankreich und Französisch-Polynesien. Dann bot mir mein Chef an, in Singapur ein Restaurant zu eröffnen. Ich sagte sofort zu, weil mich die asiatische Kultur und Küche immer fasziniert haben. Ich kam für zwei Jahre – mittlerweile bin ich fast 15 Jahre hier.

Was hat Sie an der Küche Singapurs am meisten überrascht?
Die unglaubliche Vielfalt. Menschen aus unterschiedlichsten Ländern treffen hier aufeinander und schaffen eine Küche, die heute einzigartig ist. Außerdem kann man für ein paar Dollar fantastisch essen – in Europa ist es oft schwer, beides zu kombinieren: preiswert und gut.
Ihre Küche klingt nach einer Art Brücke zwischen zwei Kontinenten. Wie entstehen neue Gerichte oder Signature Dishes?
Letztlich entscheiden die Gäste. Sie erleben die Gerichte, probieren sie immer wieder, und wenn viele sagen „Das ist großartig“, dann wird daraus ein Signature Dish. Ich kann etwas kreieren, Rezepte ausprobieren, aber die Bestätigung kommt tatsächlich vom Feedback der Gäste.

Sie haben Ihr Restaurant nach Ihrer Großmutter benannt. Welche Rolle spielt sie in Ihrer Küche?
Meine Großmutter Odette hat mich geprägt. Sie war auf einem Bauernhof in der Auvergne aufgewachsen, und die Lebensmittel waren einfach, frisch und ehrlich – und dennoch ein Luxus. Mein Restaurant trägt ihren Namen, und jeder Gast bekommt ein Glas ihrer Marmelade mit nach Hause. Das sind meine ersten Erinnerungen an Essen: handgemacht, liebevoll und verbindend.

Julien Royer auf dem Arm seiner Großmutter Odette
Apropos Verbindung: Wie war es, mit Tohru Nakamura in München zu kochen?
Es war großartig. Wir sprechen die gleiche „kulinarische Sprache“, obwohl wir aus unterschiedlichen Ländern kommen. Wir respektieren Tradition, spielen mit Texturen und Aromen, und wir lernen voneinander. Ich mag diese Generation von Köchen.
Ihr Team bei Odette ist international. Welche Rolle spielt das für Ihre Küche?
Eine sehr große. Wir haben bis zu zwölf Nationalitäten in der Küche, von Singapur bis Europa. Diese Vielfalt bringt Energie, neue Ideen und Perspektiven. Ich sehe mein Team als Familie – wenn man gut für die Leute sorgt, bleiben sie loyal und motiviert.

Sie reisen viel, auch aktuell sind Sie in ganz Europa unterwegs. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?
Reisen inspiriert mich, besonders in Bezug auf Texturen und Techniken. Momentan fasziniert mich die Vielfalt der chinesischen Küche – nicht nur Geschmack, sondern die Art, wie Texturen eine Erfahrung prägen. Auch Wok-Techniken und die Schichtung von Aromen sind spannend.
Wie wichtig sind für Sie Sterne und Auszeichnungen?
Sie sind nett, aber nicht das Ziel. Mein Ziel ist aber, den Gästen ein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Die Sterne kommen, wenn man konsequent Qualität und Erlebnis liefert.

Was steht aktuell noch auf Ihrer kulinarischen Bucket-List?
Ein Buch über die ersten zehn Jahre von Odette zu veröffentlichen. Außerdem möchte ich weiterreisen, neue Menschen und Küchen kennenlernen – Inspiration ist ein nie endender Prozess.
Zum Abschluss, was macht für Sie gutes Essen aus?
Es ist das Teilen von Freude. Essen, das man liebt, mit Menschen, die man liebt – das ist die Essenz. Alles andere: Technik, Produkte, Kreativität – das alles ist wichtig, aber ohne Freude verliert es seinen Sinn.
Alle weiteren Informationen unter: odetterestaurant.com und schreiberei-muc.de