„Mut, Kreativität und Gemeinschaft“ – Spitzenköchin Pía León im Interview The World´s 50 Best Restaurants
The World´s 50 Best Restaurants - Die Zukunft des Fine Dining, Teil 2

„Mut, Kreativität und Gemeinschaft“ – Spitzenköchin Pía León im Interview

Im Rahmen der Bekanntgabe der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin (Piemont) sprach worlds of food mit internationalen Spitzenköchinnen und -köchen über ihre Ansichten zur Zukunft des Fine Dinings. Im zweiten Teil dieser fünfteiligen Interview-Reihe sprechen wir mit Pía León aus dem peruanischen Restaurant Kjolle, welches auf der Liste der Worlds 50 Best Restaurants 2025 auf Platz 9 landete.

In den vergangenen Jahren hat sich Peru als eine der spannendsten kulinarischen Destinationen der Welt etabliert – eine der treibenden Kräfte hinter diesem Aufstieg ist die Köchin Pía León. Mit ihrer kreativen Herangehensweise in ihrem Restaurant Kjolle im peruanischen Barrranca, dem Fokus auf heimischen Zutaten und der Verbindung von Tradition und Innovation prägt sie eine neue Generation lateinamerikanischer Spitzenköchinnen und -köchen. Ihr Aufstieg ist auch ein Symbol für die wachsende Rolle von Frauen in der internationalen Spitzengastronomie.

pia leon virgilio martinez
2018 wurde Pía León bereits zur besten weiblichen Köchin Lateinamerikas gewählt und festigte ihre Vorbildrolle für Köchinnen auf der ganzen Welt im Jahr 2021, als sie im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants zur besten weiblichen Köchin der Welt ernannt wurde. Bekannt wurde sie zunächst als rechte Hand und Ehefrau des Küchenchefs Virgilio Martínez (o.i.Bild) im bekannten Restaurant Central in Lima (The World's Best Restaurant 2023). Jedoch verspürte sie das Bedürfnis, ihre kulinarische Vision auf unabhängige Weise zum Ausdruck zu bringen und startete 2018 ihr eigenes Projekt. Und das mit Erfolg, schließlich erreichte sie mit ihrem Restaurant Kjolle (u.i.Bild) ebenfalls die Top 50 der Welt und landete in diesem Jahr sogar auf Platz 9 der The World's 50 Best-Liste.

menu pia leon

restaurant kjolle

In ihrem Restaurant strebt Pía León danach, natürliche Aromen und Traditionen zu bewahren – gleichzeitig aber zeigen ihre Gerichte ein hohes Maß an Forschung und Entwicklung. Die Ursprungsprodukte sind aber immer erkennbar und werden nie übermäßig manipuliert, während das Restaurant selbst einzigartige Keramikstücke, Glaswaren und ein Interior Design bietet, das die Köchin zusammen mit lokalen Künstlern und Kunsthandwerkern aus ganz Peru kuratiert.

Interview mit Pia León: „Fine Dining der Zukunft braucht Mut, Kreativität und Gemeinschaft“

worlds of food: Pia, Sie wurden zur besten weiblichen Köchin der Welt gekürt. Wie hat das Frauen in Lateinamerika beeinflusst?

Pía León: Das Feedback war überwältigend. Bis heute schreiben mir viele Frauen: Pia, wie schaffst du das? Kann ich als Frau in diesem Beruf auch heiraten, Kinder haben? Ich sage ehrlich: Es ist hart. Aber es geht, mit einem starken Team. Natürlich ist so ein Preis auch persönlich eine Ehre, aber im Zentrum steht immer das Team, ihm gebührt mein Dank in dieser Hinsicht. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen, die heute mit mir im Kjolle arbeiten, kamen aus dem Central. Die Entscheidung, wer in welchem Restaurant arbeitet, fiel damals per Los! Wir wollten es so fair wie möglich machen.

Wie sehr hat Ihnen eine internationale Community wie hier bei den World’s 50 Best Restaurants, wo sich jährlich Spitzenköchinnen und -köche aus aller Welt treffen, bei Ihrer persönlichen Entwicklung geholfen?

Sehr! Man lernt voneinander, man inspiriert sich, tauscht Ideen aus. Es entstehen Freundschaften. Natürlich besteht auch eine gewisse Konkurrenz – aber im besten Sinne: Man spornt sich gegenseitig an. Und wenn einer wächst, profitieren wir alle. So denken wir in Peru über die World´s 50 Best Restaurants-Community. Wenn jemand Tolles neben mir erfolgreich ist, ist das auch gut für mich. Es geht nur darum, sich immer weiterzuentwickeln und dabei bei sich selbst zu bleiben, sich nicht zu verbiegen.

worlds 50 best restaurants group
Spitzenköche in Turin bei der Bekanntgabe der The World´s 50 Best Restaurants 2025

Lassen Sie uns über die Zukunft der Gastronomie sprechen. Was braucht Fine Dining von morgen Ihrer Ansicht nach?

Es braucht Neugier, Mut und Kreativität im Fine Dining. Und gleichzeitig Gemeinschaft – wie eben geschildert, sind gegenseitige Inspiration und Unterstützung innerhalb der Szene in meinen Augen sehr wichtig für eine konstruktive Weiterentwicklung der gehobenen Gastronomie. Ich liebe aber auch einfache Cafés, Bistros oder Märkte – und wir brauchen all das eine bunte Szene. Für mich ist Fine Dining daher nur ein Werkzeug unter vielen innerhalb der Gastronomie, um Menschen zu berühren und um lokale Communities zunehmend einzubinden. Wir arbeiten in Peru deshalb eng mit regionalen Produzenten und Kleinbauern zusammen und unterstützen sie. Fine Dining darf nicht abgehoben sein, es muss einen verbindenden Charakter haben.

In Ihren Restaurants und Projekten verbindet sich Küche stets auch mit Kunst, Wissenschaft und Design. Wie wichtig ist dieser interdisziplinäre Ansatz für die Zukunft der Gastronomie?

Unbedingt wichtig! Für uns geht es nie nur ums Essen. Klar, Geschmack und Präsentation, all das zählt natürlich. Aber wir wollen mehr: Kunst, Anthropologie, Botanik, Design. Wenn ein Gast geht, soll er nicht nur satt, sondern inspiriert von unserer Umgebung und unserem Land sein. Alles ist bei uns daher ganz bewusst gestaltet – von den einzelnen Gerichten, über das gesamte Menü bis hin zu Besteck und den Farben der Inneneinrichtung. Das ist viel Arbeit, aber das hält uns auch wach und sorgt in unserem Fall dafür, dass wir uns ständig weiterentwickeln. Jeden Tag dasselbe zu machen, nur weil es gut läuft, wäre mir zu wenig. Ich möchte die kulinarische Zukunft mitgestalten.

pia leon interview
Pía León

Ist das also der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft des Fine Dining?

Ich hoffe es. Dass wir weiterdenken ist essentiell. Dass wir auch andere Disziplinen einladen. Und ja, in Peru ist Gastronomie auch ein Tourismusmotor. Leider fehlt es an echter staatlicher Unterstützung. Sie nutzen uns gerne als Aushängeschild, aber echte Förderung sieht anders aus. Trotzdem: Wir machen weiter, weil wir an das Glauben, was wir tun. Wir teilen viel mit Kollegen wie mit Micha Tsumura aus dem Maido – das ist das Wichtigste. So können kleine Impulse große Veränderungen bringen.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?

Dass wir weiter neugierig bleiben. Dass wir Vorbild sein können, ohne zu missionieren. Und dass junge Frauen, die uns schreiben, irgendwann selbst diesen Weg gehen können – auf ihre Art.

Alle weiteren Informationen unter: kjolle.com und theworlds50best.com

Zur Interview Reihe "Die Zukunft des Fine Dining"

zukunft fine dining

Im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin stellten sich die folgenden Köchinnen und Köche den Fragen der internationalen Presse:

V.l.n.r.: Daniel Calvert vom Restaurant Sézanne, Ellia Park und Junghyun ‘JP’ Park aus dem Atomix (New York City), Alejandra Flores (Quintonil), Pía León, die das Kjolle betreibt, Jorge Vallejo (ebenfalls Quintonil) und Eric Kragh Vildgaard aus dem Jordnær.

Hier geht es zum Interview mit Eric Vildgaard