Spitzenkoch Eric Vildgaard aus dem Jordnær im Interview The World´s 50 Best Restaurants; Jesper Rais; David Egui; Derk Hoberg
The World´s 50 Best Restaurants - Die Zukunft des Fine Dining, Teil 1

Spitzenkoch Eric Vildgaard aus dem Jordnær im Interview

Im Rahmen der Bekanntgabe der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin (Piemont) sprach worlds of food mit internationalen Spitzenköchen über ihre Ansichten zur Zukunft des Fine Dinings. Den Auftakt zu dieser fünfteiligen Interview-Reihe macht Eric Vildgaard aus dem dänischen Restaurant Jordnær.

Es ist noch nicht allzu lange her, als Eric Vildgaard und seine Frau Tina Schmuck und andere persönliche Gegenstände verkauften, um sich ihren Traum vom eigenen Fine Dining-Restaurant ohne weitere Geldgeber zu verwirklichen. 2017 investierten sie das eingenommene Geld, um Besteck und Geschirr für ihr Restaurant Jordnær zu kaufen. Was folgte war ein kulinarischer Senkrechtstart, der das Jordnær im Jahr 2022 bis auf Platz 38 der The World´s 50 Best Restaurants hievte (aktuell belegt das Jordnær Platz 56 auf der erweiterten Liste) und der seit 2024 mit drei Michelin-Sternen honoriert wird.

eric vildgaard jordnaer

Der Name ihres Restaurants leitet sich vom dänischen Wort für „bodenständig“ ab, Vildgaards Küche darf qualitativ dennoch ganz oben an der Spitze eingeordnet werden. So arbeitet Vildgaard eng mit Produzenten, Lieferanten und Fischern zusammen und sorgt dafür, dass nur die hochwertigsten Produkte auf den Teller kommen. Den Umgang mit solch edlen Zutaten hatte er zuvor in angesehenen dänischen Küchen wie dem Noma, Søllerød Kro und dem Almanak gelernt, bevor er schließlich zusammen mit seiner Frau das Jordnær eröffnete.

jordnaer teller

Tina Vildgaard kümmert sich dort als Restaurantleiterin um den Service, während er seine filigranen und finessenreichen Menüs kocht und neue Gerichte entwickelt. Dabei kombiniert er Nordic Cuisine (überwiegend Fisch und Meeresfrüchte) mit japanischen Aromen und französischer Kochkunst und beweist nicht nur Fingerspitzengefühl beim Anrichten seiner schönen Teller. Auch menschlich ist er ein anderer geworden, hat die Schatten seiner schweren und von Gewalt geprägten Jugend lange hinter sich gelassen und blickt optimistisch in die Zukunft.

Das Interview über die Zukunft des Fine Dining mit Eric Vildgaard

„Wir Köche sind politische Wesen – ob wir wollen oder nicht“

worlds of food: Eric, danke, dass du dir im Trubel der The World’s 50 Best Restaurants Zeit für uns nimmst.

Eric Vildgaard: Ich bin Koch aus Kopenhagen. Gemeinsam mit meiner Frau betreibe ich das Restaurant Jordnær im nördlichen Vorort von Kopenhagen. Wir haben es vor acht Jahren eröffnet – ohne Investoren, ohne Netz und ohne doppelten Boden. Ich hatte hier und da den Weg der Tugend verlassen, hatte eine schwere Jugend. Durch das Kochen habe ich damals meine Vergangenheit hinter mir gelassen, um mir mit ihr ein neues Leben aufzubauen. Meine Frau fragte mich damals: „Was willst du machen?“ Und ich sagte: „Kochen. Lass uns ein Restaurant eröffnen.“ Und jetzt sitze ich hier – mit drei Sternen – und spreche mit euch über die Zukunft der Gastronomie. Wahnsinn, oder?

Wie nimmst du die Entwicklung der globalen Fine-Dining-Szene wahr?

Eric Vildgaard: Fine Dining ist nicht mehr so elitär wie noch vor zehn Jahren. Es ist offener, inklusiver geworden. Man muss kein „Milliardär“ mehr sein, um ein herausragendes kulinarisches Erlebnis zu haben. Es geht heute mehr um das Gesamterlebnis als um Silberbesteck und weiße Handschuhe – obwohl ich gegen ein bisschen Silber ab und zu nichts habe. (lacht)

restaurant jordnaer

Wie sieht das „neue Fine Dining“ für dich konkret aus?

Es ist bewusster geworden. Nachhaltigkeit ist nicht nur Trend, sondern wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Produkte mit Qualität und Herkunft, die mit Respekt behandelt wurden, sind der neue Luxus. Früher war Foie Gras der Inbegriff von Fine Dining. Heute wird sie kaum noch verwendet. Wer das heute noch serviert, ist irgendwie aus der Zeit gefallen. Stattdessen sehen wir mehr Kreativität – zum Beispiel mit Mönchsfischleber, Ankimo, In Skandinavien war das früher ein Wegwerfprodukt. Heute ist es eine Delikatesse auf Sterneniveau. Das zeigt auch, wie viel globaler und vernetzter die Szene geworden ist.

Du hast mit deiner Handschrift viele junge Köchinnen und Köche geprägt, gerade im Norden. Ist das ein bewusster Einfluss?

Nicht bewusst, das war nicht mein Plan – aber es freut mich riesig. Manche Kollegen oder auch Journalisten sagen: „Eric, das ist doch deine Handschrift, die du da auf anderen Tellern siehst!“ Ich sehe das als großes Kompliment. Wenn deine Ideen kopiert werden, dann hast du offenbar etwas richtig gemacht. Und das hat nichts mit Arroganz zu tun – das ist einfach schön zu sehen.

Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?

Weniger ist mehr. Klare Aromen, technische Präzision, wenig Schnörkel. Ich glaube, das kommt gut an, weil es ehrlich ist. Trends kommen und gehen. Wie Tamagotchis. Damals cool, heute retro. So ist es auch mit Food-Trends. Aber: Was bleibt, ist handwerkliche Perfektion – daran sollten wir als Köche immer festhalten, auch wenn wir neue Wege gehen.

menu jordnaer

Was ist mit der politischen Dimension in der Gastronomie? Sollten Köche oder Restaurants im Bezug auf die aktuell doch angespannte Weltpolitik auch in dieser Hinsicht Stellung beziehen?

Schwierige Frage. Ja und nein. Wir sind keine Politiker, aber wir sind politische Wesen – allein durch unsere Entscheidungen: Welche Produkte wir verwenden, woher sie kommen, oder was wir nicht mehr auf die Karte setzen. Das ist Politik, ohne dass wir auf die Barrikaden gehen müssen. Ich bin nicht der Typ, der mit der Fahne schwenkt – aber ich glaube daran, dass wir durch unser Handeln Einfluss nehmen können. Ich will da unterstützen, wo andere weniger haben. Ich habe selbst mal Hilfe gebraucht – jetzt kann ich etwas zurückgeben. Auch das ist politisch.

In Dänemark hat man euch als Köche zuletzt als kulturell einflussreiche Stimme ernst genommen – ein großer Schritt, oder?

Ja, zum ersten Mal wurde die Gastronomie zur Kultur-Gala im Schloss eingeladen – ich durfte neben der Königin sitzen. Sie ist ein Fan unseres Restaurants, das war ein starkes Zeichen. Aber wir merken auch, dass die Politik uns nicht immer als das anerkennt, was wir wirtschaftlich und kulturell leisten. Der Tourismus in Kopenhagen lebt von der Gastronomie – und trotzdem fehlen oft die politischen Strukturen, um Events wie „50 Best“ zu uns zu holen. Da hinken wir noch hinterher.

eric vildgaard turin

Was treibt dich persönlich an – heute und für die Zukunft?

Menschen gut ernähren – nicht nur kulinarisch, sondern ganzheitlich. Fine Dining darf nicht nur fett, salzig und luxuriös sein. Es soll auch gut tun. Gesund, bewusst, nachhaltig. Und wenn ich damit etwas Positives beeinflussen kann – ob politisch oder gesellschaftlich – dann ist das der größte Antrieb für die Zukunft.

Danke für das offene Gespräch und alles Gute für die Zukunft, Eric.

Alle weiteren Informationen unter: restaurantjordnaer.dk und www.theworlds50best.com

Zur Interview Reihe "Die Zukunft des Fine Dining"

zukunft fine dining

Im Rahmen der The World´s 50 Best Restaurants 2025 in Turin stellten sich die folgenden Köchinnen und Köche den Fragen der internationalen Presse:

V.l.n.r.: Daniel Calvert vom Restaurant Sézanne, Ellia Park und Junghyun ‘JP’ Park aus dem Atomix (New York City), Alejandra Flores (Quintonil), Pía León, die das Kjolle betreibt, Jorge Vallejo (ebenfalls Quintonil) und Eric Kragh Vildgaard aus dem Jordnær.