Rasmus Kofoed: Gut, danke. Ich konnte viel Zeit mit meiner Familie verbringen, habe an neuen Gerichten gearbeitet und auch viel Sport getrieben. Das letzte Jahr war hart für alle Restaurants, viele Unternehmen, medizinisches Personal und Menschen auf der ganzen Welt – auch für uns. Aber wir haben das Glück in Dänemark zu leben, wo wir dank der Unterstützung unserer Regierung in der Lage waren, unseren Teil zu tun und zu Hause zu bleiben, um die Zahl der Covid-Fälle gering zu halten. Wenn wir nicht gerade im Lockdown waren, haben wir uns sehr glücklich über die Unterstützung all unserer Gäste während dieser Zeit gefühlt. Besonders unserer dänischen Gäste, die uns vermehrt besucht haben, als die Grenzen geschlossen waren. Wir lieben, was wir tun, und deshalb gibt es einen unerfüllten Teil unseres Herzens, wenn wir so lange vom Geranium und unseren Gästen weg sind. Jetzt sind wir aber bereit, stärker denn je zurückzukommen, um das Leben und die Gastfreundschaft wieder zu feiern.
worlds of food: Wie haben Sie die Zeit im Geranium überbrückt in den letzten Monaten?
Rasmus Kofoed: Während des ersten Lockdowns hatten wir vom 13. März bis zum 3. Juni 2020 geschlossen. Das Team blieb aber intakt und wir veröffentlichten Kochrezepte von Mitarbeitern für zu Hause auf unseren sozialen Medien. Das hat allen Spaß gemacht und unsere Follower haben es geliebt. Nach der Wiedereröffnung im Sommer haben wir dann das vegetarische Popup-Restaurant Angelika in einem Bereich des Geraniums eröffnet, um den Leuten zu zeigen, wie einfach und gut die vegetarische Küche und der Verzicht auf tierische Produkte sein kann. Die Gäste konnten dabei für den Danish Nature Fund spenden – vielleicht lassen wir das Angelika auch irgendwann wieder aufleben. Am 6. Dezember mussten wir dann wieder schließen. Erst jetzt, Ende April durften wir wieder öffnen und haben uns riesig darauf gefreut, waren auch ein Stück weit aufgeregt.
The Forest - Ein Gericht aus dem Geranium
worlds of food: Apropos Natur – die Pandemie zeigt uns ja, wie wichtig ihr Schutz ist. Sie waren als Kind sehr oft mit Ihren Eltern in der Natur gewesen, Angeln und Sammeln. Wie sehr hat sie das beeinflusst und wie viel Zeit haben Sie heute – wenn das Geranium im Normalbetrieb ist – noch dafür?
Rasmus Kofoed: Genug, weil ich mir die Zeit dafür nehme. Das ist wichtig und das wünschen wir uns doch alle, mehr Zeit in der Natur. Ich persönlich finde Inspiration in der Natur, friedvolle, ruhige Momente. Das gibt mir auch wieder Energie für das Restaurant. Ich könnte locker auch noch mehr arbeiten, als ich es ohnehin schon tue, aber ich möchte meine Arbeit auch genießen und daher denke ich viel darüber nach, wie sich das verbinden lässt. Es geht darum eine gelungene Balance für mich und meine Familie zu finden. Und das gleiche gilt für alle meine Kollegen im Restaurant, sie sollen sich alle wohlfühlen und ausbalanciert leben. Ich bin deshalb mit meiner Familie auch raus ans Meer gezogen und lerne nun noch mehr über die Natur und wie sich die Pflanzen in den einzelnen Jahreszeiten verhalten. Fischen gehe ich erst wieder mehr, wenn meine Kids ein wenig größer sind. Dann am besten auch mit meinem Vater, der nach wie vor ein guter Fischer ist.
worlds of food: Was beeinflusst Sie sonst noch kulinarisch, welche Länder, welche Strömungen der Gastronomie?
Rasmus Kofoed: Generell bin ich eher von großen Initiativen und Bewegungen, die sich weltweit abspielen, inspiriert –und nicht so sehr von einzelnen Protagonisten, die sich auf ein spezielles Produkt oder einen Kochstil konzentrieren. Natürlich kann auch jede Art Restaurant inspirierend sein, da muss es gar nicht um Fine Dining oder die teuersten Produkte gehen – im Gegenteil. Ich hoffe, dass wir mit dem Geranium in den vergangenen gut zehn Jahren zu genau solch einem inspirierenden Ort geworden sind, ohne dabei irgendetwas zu kopieren. Und ich mag generell Herausforderungen im Leben, es sollte nicht zu einfach sein, wenn man das Beste aus sich herausholt. Das braucht nun mal Zeit, auch wenn manche Gerichte und manche Ideen einfacher kommen als andere.
worlds of food: Was ist für Sie das Spannendste am Gerichte entwickeln?
Rasmus Kofoed: Wir wollen immer herausfinden, welche Geschichte man mit einem Gericht erzählen kann. Das ist natürlich ein stetiger Prozess und das Spannendste ist tatsächlich das Ausprobieren, das Herantasten an das, was mit den Produkten möglich ist – während man ja gleichzeitig von der Jahreszeit abhängig ist.
worlds of food: Es scheint ja auch geradezu so, als ob Sie Wettkämpfe mögen. Hinter Ihnen stehen ein bronzener, ein silberner und ein goldener Bocuse d´Or, die Sie nacheinander gewonnen haben. Dazu ist das Geranium mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet und auch auf der Liste der World´s 50 Best Restaurants sind Sie schon auf Platz fünf geklettert. Ist die Nummer Eins immer Ihr Ziel?
Rasmus Kofoed: Natürlich streben wir danach, immer besser zu werden und das Geranium zu einem besseren Restaurant für die Gäste und Kollegen zu machen. Dabei blicken wir aber nicht auf Platzierungen. Klar freue ich mich über solche Erfolge, ich weiß auch um die Ehre, die so eine Auszeichnung darstellt. Mein Antrieb ist aber ein anderer. Ich möchte die Dinge, die ich liebe, so gut wie möglich machen, und dabei das Beste abliefern, zu dem ich in der Lage bin. Und ich möchte die Zeit, die mir dafür gegeben ist, bestmöglich nutzen. Darauf konzentriere ich mich das gesamte Jahr über. Die Auszeichnungen und Verleihungen sind nur kurze Momente in diesem Prozess. Hinzu kommt, dass meine Kollegen und ich fast alle schon mehrere Kinder haben, weshalb wir hier wieder beim Thema „richtige Balance“ sind, die ich meinen Angestellten bieten will. Es gibt schließlich wichtigeres, als die Arbeit.
worlds of food: Motivationsprobleme, dieses hohe Leistungsniveau jederzeit zu halten, verspüren Sie also niemals?
Rasmus Kofoed: Bisher nicht, mein innerer Antrieb und die Motivation kommen von Herzen. Wenn ich etwas mag, dann gebe ich gerne mein Bestes. Das war sogar in der Schule schon so. Aber nicht in allen Fächern, im Deutschunterricht war ich früher nie gut, das muss ich zugegeben (lacht). Da habe ich lieber Graffitis entworfen und hatte mich in meine Deutschlehrerin verguckt, weil sie sehr süß war. Heute bereue ich das ein wenig, könnte gerne besser Deutsch.
worlds of food: Wie entspannen Sie vom Streben, Ihre Leidenschaften zu perfektionieren?
Rasmus Kofoed: Ich habe herausgefunden, dass ich schon auf dem Weg von A nach B sehr gut entspannen kann. Wenn ich die Kinder in die Schule bringe, wenn ich im Auto zur Arbeit fahre. Manchmal nehme ich den Zug, dann lese ich. Ganz egal, dabei schalte ich schon ab. Mein Kompagnon Søren Ledet und ich gehen auch gerne ins Fitnessstudio, stellen unseren Mitarbeitern auch die Mitgliedschaft im Fitnessclub, weil wir gemerkt haben, wie gut uns das mental tut. Dazu laufe ich viel, je älter ich werde umso mehr. Früher habe ich immer einen Ball dazu gebraucht, mich in Bewegung zu setzen, heute geht es auch ohne. Auch hier reizt es mich wieder, an meine Grenzen zu gehen. Irgendwann werde ich dann wahrscheinlich auch mal einen Marathon laufen, den Kopenhagener Halbmarathon gehe ich jetzt im September an.
worlds of food: Das Restaurant hat ja auch einen tollen Standort, in der obersten Etage des dänischen Nationalstadions, mit exklusivem Blick aus der Küche auf den heiligen Rasen. Im Gastraum blickt man dagegen über den herrlichen Park. Wie wichtig ist der Standort für ein Restaurant wie Ihres?
Rasmus Kofoed: Ich denke, ein modernes Restaurant kann heute überall sein, da gibt es keine Notwendigkeit für Besonderheiten aber auch kein Limit nach oben. Wir haben hier in der achten Etage 2007 tatsächlich bei null angefangen, in einem leeren Betonraum mit diesem atemberaubenden Blick auf die Baumkronen. Ich vermute ja ohnehin, dass ich in einem vorherigen Leben mal ein Affe war. Als Kind bin ich immer höher hinaufgeklettert und das gleiche beobachte ich nun mit meinem Sohn. Dazu mag ich auch Fußball, spiele selbst ganz gern und schaue das auch ganz entspannt zu Hause an, wenn die Kids im Bett sind. All das macht den Standort dieses Restaurants schon zu etwas Besonderem – die Zeit und die gemachten Erfahrungen tun dann ihr Übriges. So haben wir vor einigen Jahren alles viel heller und natürlicher als anfangs gestaltet und die Küche in den Gastraum erweitert, um näher bei den Gästen zu sein, Barrieren einzureißen. Das ist unser Universum, das uns auch eine echte Heimat sein muss, damit wir tolle Gastgeber sein können.
worlds of food: Wie ist es denn, in der gleichen Stadt wie der „Pate der Nordic Cuisine“, René Redzepi, zu leben und zu arbeiten?
Rasmus Kofoed: Wenn René und ich die Zeit finden, treffen wir uns gerne und tauschen uns aus, es gibt ja durchaus genug Unterschiede zwischen uns. Das ist wie die Bilder zweier Maler, die vielleicht die gleichen Farben verwenden, die Bilder sind aber nie die gleichen. Und das macht doch eine Stadt, ein Land oder Kulturen aus. Die Vielfalt. René und sein Team leisten tolle Arbeit. Genau wie wir, nur eben auf andere Art. Ich denke, beide Restaurants erschaffen mit ihrer Art von Energie tolle Leistungen und Gerichte, leisten so Ihren Beitrag, Kopenhagen zu einem kulinarisch abwechslungsreichen Ort zu machen. Es gibt also genug Platz für uns beide und für noch ganz viele weitere gute Restaurants hier in Kopenhagen. Ich denke das ist auch der Grund, warum immer mehr Gäste hierherkommen und genau diese Vielfalt kennenlernen möchten.
Hier: Weitere Infos zu Rasmus Kofoed und seinem Restaurant Geranium
Derk Hoberg (li.) traf Rasmus Kofoed im Geranium
Hintergrund: Rasmus Kofoed und das Restaurant Geranium
Rasmus Kofoed, Jahrgang 1974, und sein vielköpfiges Service- und Küchenteam zelebrieren in Dänemarks einzigem Drei-Sterne-Restaurant die Kochkunst auf höchstem Niveau. Das Geranium ist dabei im achten Stockwerk unter dem Dach des Parken, Dänemarks Nationalstadion, beheimatet. Der zeitlos elegante Gastraum mit offener Anrichteküche ist lichtdurchflutet, punktet zudem mit weitem Blick über den Fælled-Park und mit den zahlreichen Trophäen, die Kofoed in den vergangenen Jahren für seine Kochkunst einheimsen konnte. Seine Gerichte sind leicht und filigran, bestehen aus besten regionalen Produkten und verzaubern den Gast auch optisch.Knusprige Jerusalem Artischocke – Ein Gericht im Geranium
The End - Das Dessert im Geranium