Château Figeac: Die Kunst der Balance Chateau Figeac, Mathieu Anglada
Zu Besuch im Weingut Château Figeac in Saint Émilion

Château Figeac: Die Kunst der Balance

Ein Gespräch mit Frédéric Faye und Blandine de Brier Manoncourt vom Château Figeac über Herkunft, Wandel und die Seele eines großen Weins.

Auf Château Figeac, einem der legendärsten Weingüter der Region Saint-Émilion im Département Gironde, treffen Forschergeist und Familientradition aufeinander. Hier, wo Cabernet Sauvignon ebenso selbstverständlich wurzelt wie Merlot, entstehen Weine, die für viele Experten das Ideal von Balance und Finesse verkörpern. Im Gespräch erzählen Frédéric Faye, technischer Direktor des Weinguts, und Blandine de Brier Manoncourt, Tochter des visionären Thierry Manoncourt, wie Figeac im Wandel bleibt – und doch ganz sich selbst treu.

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Frédéric Faye und Blandine de Brier Manoncourt

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worlds of food: Madame de Brier Manoncourt, Sie sind auf Château Figeac aufgewachsen. Gab es einen Moment, in dem Sie wussten: Ich bleibe hier?

Blandine de Brier Manoncourt: Ehrlich gesagt – nein, das war nicht geplant. Ich war zunächst Journalistin, bis ich 2007 begann, meinem Vater im Weingut zu helfen. Ab 2013 wurde es intensiver, und irgendwann war ich einfach wieder hier – ganz selbstverständlich. Auch meine Schwester ist zurückgekehrt. Wenn man hier ist, spürt man Dinge, die man aus der Ferne nicht wahrnimmt. Diese Nähe ist entscheidend.

Ihr Vater, Thierry Manoncourt, gilt als einer der visionärsten Winzer des Bordelais. Wie lebt sein Geist heute weiter?

de Brier Manoncourt: Er ist überall. Als wir 2022 die Klassifizierung Premier Grand Cru Classé A erhielten (eine Aufwertung in der neuen Klassifizierung der Weine von Saint-Émilion, Anm. der Red.), sagte jemand aus dem Team: „Ich denke an Monsieur.“ Viele, die heute hier arbeiten, haben noch mit ihm gelernt. Mein Vater war kein Traditionalist, sondern ein Forscher. Er verband Wissenschaft mit Intuition. Auch beim Neubau des Weinguts haben wir uns oft gefragt: Wie hätte er entschieden? Meine Mutter sagte damals: „Es ist Zeit für die nächste Revolution.“

Welche Rolle spielt heute die Familie im täglichen Leben auf Figeac?

de Brier Manoncourt: Früher war es selbstverständlich, dass jemand aus der Familie übernimmt. Heute zählt vor allem Kompetenz – Menschen, die Figeac verstehen. Wir haben ein leidenschaftliches Team, das diesen Ort liebt und respektiert. Figeac ist ein Team, ein Ort, ein Wein – in dieser Reihenfolge. Wer hier Verantwortung trägt, muss Demut haben und im Dienst des Hauses und unserer Weine stehen.

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Herr Faye, wie würden Sie den Stil von Figeac beschreiben?

Frédéric Faye: Wenn ich Figeac zeichnen müsste, wäre es eine Linie: Sie beginnt mit der Rundheit des Merlot, zieht sich mit der Spannung des Cabernet Franc und endet mit der Textur des Cabernet Sauvignon – fein, präzise, mit diesem Graphit-Ton vom Boden. Diese Mineralität ist unsere Signatur.

Figeac ist berühmt für seinen hohen Cabernet-Anteil in seinen Cuvées – ungewöhnlich für Saint-Émilion...

Faye: Ja, unsere Böden enthalten viel Kies und Schotter, ähnlich wie im Médoc – perfekt für Cabernet Sauvignon, der Drainage und Wärme liebt. Dahinter, auf tonigeren Parzellen, steht Cabernet Franc. Diese Struktur verleiht Figeac Frische, Tiefe und Spannung.

Wie entsteht das perfekte Cuvée?

Faye: Wir beginnen im Frühjahr mit Blindverkostungen. Niemand weiß, welche Parzelle im Glas ist – jung oder alt, Cabernet oder Merlot. So bleiben wir objektiv. Am Ende entscheiden wir gemeinsam mit der Familie. Ich erinnere mich, Madame Manoncourt sagte einmal: „Ein wunderschöner Wein – aber kein Figeac.“ Zwei Prozent weniger Merlot, und alles stimmte. Diese Präzision ist entscheidend.

de Brier Manoncourt: Wir sind als Familie immer beteiligt, manchmal auch bei Zwischenverkostungen. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich derselbe Wein aus 22 verschiedenen Fässern wirken kann – und wie genau das Team diese Nuancen erkennt.

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Der Petit Figeac gilt als kleine Schwester des Grand Vin. Wie unterscheiden sich die beiden?

Faye: Beide stammen vom selben Terroir, doch Petit Figeac ist der erste Schritt in die Welt von Figeac – fruchtbetonter, früher zugänglich, mit etwas mehr Merlot. Es ist kein „Restwein“, sondern ein gezielter Ausdruck unseres Stils in leichterer Form.

2018 gilt als ein Wendepunkt in der Geschichte des Weinguts. Warum?

Faye: 2018 war ein sehr heißes Jahr, eine Tendenz, die wir durch den Klimawandel deutlich erkennen. Wir mussten lernen, früher zu lesen, um Frische zu bewahren, und haben begonnen, stärker zu begrünen und mehr auf die Vitalität des Bodens zu achten. Seitdem lautet das Ziel: Spannung statt Schwere.

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Auch im Keller hat sich in den letzten Jahren viel verändert…

Faye: Seit 2015 verzichten wir während der Gärung vollständig auf Schwefel. Früher diente er der Stabilisierung, heute wissen wir, dass er die Aromatik beeinflusst. Ohne ihn sind unsere Weine offener, transparenter – es ist, als würde man einen Vorhang beiseiteziehen.

de Brier Manoncourt: Genau. Es ging nie darum, weniger Schwefel zu haben, sondern mehr Ausdruck.

Wann haben Ihre Weine dir richtige „Trinkreife“?

Faye: Wir wollen Weine schaffen, die schon in der Jugend Freude bereiten, ohne an Tiefe zu verlieren. Niemand sollte 20 Jahre warten müssen. Balance ist der Schlüssel – Finesse, Frische, Eleganz. Ein großer Wein ist einer, den man austrinkt.

Was bedeutet Château Figeac für Sie persönlich?

de Brier Manoncourt: Figeac ist Teil unserer Familie und Geschichte. Jeder Jahrgang ist ein neues Kapitel – und ein Versprechen, das wir jedes Jahr erneuern.

Faye: Für mich ist Figeac ein lebendiges Wesen. Wir lernen jedes Jahr dazu, bleiben neugierig. Solange der Wein vibriert, lebt dieser Ort.

Alle weiteren Informationen unter: chateau-figeac.com