Die Türken vor Wien
Doch von Anfang an: Einer Anekdote nach wollten sich die Türken, als sie 1698 Wien belagerten, mithilfe eines Tunnels in die Kaiserstadt vorarbeiten. Diese hatten aber nicht mit den österreichischen Bäckern gerechnet. Diese verübten ihr Handwerk wie üblich des Nachts, und da es dabei eher ruhig zugeht, vernahmen sie das unterirdische Graben, Schaufeln und Scharren. Also schlugen die fleißigen Bäcker sofort Alarm, und zum Dank für ihre vaterländische Wachsamkeit bekamen sie die Lizenz, künftig Hörnchen in Form des türkischen Halbmonds backen zu dürfen - die Kipferl. Die Österreicher tunkten also fortan das feine Blätterteig-Gebäck zum Frühstück in ihren Kaffee, den sie von den Türken erbeuteten und zunächst für Kamelfutter hielten.Wie kam das Croissant nach Frankreich
Doch wie kam das Kipferl jetzt nach Frankreich? Dass man es umbenennen musste, ist in einem Land, das seine Sprache so rein hält, wie kein anderes, keine große Sache. Es geschah im Jahr 1770, als Marie Antoinette, die Tochter von Franz I. und Maria Theresia aus Gründen der Staatsräson nach Frankreich verheiratet wurde. Sie - oder strenggenommen - ihr Leibbäcker brachte das Kipferl mit nach Paris, wo man es künftig Croissant (das heißt: aufgehender Mond) nennen sollte. Die Leckerei verbreitete sich rasch über das ganze Land und später fast über die gesamte zivilisierte Welt. Es stellt sich nur die Frage, ob die Franzosen, wenn ihnen diese Nationalbedeutung schon 1792/93 bewusst gewesen wäre, nicht davon Abstand genommen hätten, Marie Antoinette auf die Guillotine zu bringen.Geschichte hin oder her, das Croissant hat ganz eindeutig französischen Charakter. Und was noch viel wichtiger ist: Mit jedem Bissen vom luftigen Blätterteig-Gebäck ist ein Stück französische Lebensart in die deutschen Mägen und somit auch Seelen eingegangen. Natürlich geht eine Portion Dankbarkeit auch nach Österreich und in die Türkei. Denn ohne ihre Beteiligung wäre das Croissant heute nicht auf unseren Frühstückstellern.