Wie alt und eng die Verbindung von Gänseleber zur Feige tatsächlich ist, zeigt ein Blick in die Sprachgeschichte. So hat der antike römische Autor Plinius der Ältere bereits die Gänsemast mit zerkleinerten getrockneten Feigen beschrieben. Das Kochbuch des Apicius aus dem 4. Jahrhundert nach Christus enthielt ein Rezept mit der so gewonnenen Leber, lateinisch „jecur ficatum“, also „Leber mit Feigen“. Daraus wurde im Laufe der Jahrhunderte über „figido“, „fedie“ und „feie“ schließlich im 12. Jahrhundert das Wort „foie“. So klassisch Harald Wohlfahrts Zubereitung auch scheint, in einem wesentlichen Schritt hat er sie deutlich modernisiert. Denn es fehlen sowohl der Teig als auch der grüne Speck (der traditionellen Ummantelung einer Geflügelterrine, wie sie Wohlfahrt etwa auf Seite 68 verwendet).
Seine Terrine ist damit um einiges „entfettet und entmehlt“, macht geschmacklich jedoch keine Kompromisse. Die Wahl der Feigensorte „Rouge de Bordeaux“ ist zudem auch kulinarisch sinnvoll, denn sie gehört zu den fruchtigen, nicht sehr süßen Sorten. Unterstützt durch das Tannin des Banyuls-Weins garantiert ihre Verwendung, dass der Teller nicht zu sehr in Richtung Dessert gerät.
Zutaten (für 4 Personen)
PORTWEINREDUKTION100 ml roter Portwein _ 250 ml weißer Traubensaft
MARINIERTE GÄNSELEBER (24 STUNDEN STANDZEIT)
1,2 kg rohe Gänseleber _ 4 g Pökelsalz _ 12 g Pastetengewürzsalz _ Zucker, Pfeffer _ 50 ml Portweinreduktion _ 40 ml feiner Cognac
GÄNSELEBERPARFAIT (48 STUNDEN STANDZEIT)
marinierte Gänseleber
MADEIRAGELEE
750 ml Madeira _ 2 Lorbeerblätter _ 10 Pfefferkörner _ 1 Nelke _ 10 Blatt Gelatine
GÄNSELEBERTERRINE (12 STUNDEN STANDZEIT)
300 ml festes Madeiragelee _ 1,2 kg Gänseleberparfait _ 200 ml flüssiges Madeiragelee
ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN-CARPACCIO (12 STUNDEN STANDZEIT)
4 Feigen _ 40 ml Banyuls _ 80 g Gelierzucker
MARINIERTE ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN (12 STUNDEN STANDZEIT)
20 g Zucker _ 150 ml Banyuls _ 1 Sternanis _ 1/4 Zimtstange _ 1 Lorbeerblatt _ 1/4 ausgekratzte Vanilleschote _ etwas Speisestärke _ 2 Feigen
GRATINIERTE ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN
2 Feigen _ 20 g brauner Zucker
PINIENKERNVINAIGRETTE
20 g geröstete Pinienkerne _ 100 ml Olivenöl _ 30 ml Feigenessig _ 5 g fein gehackter Kerbel _ Salz, Pfeffer
ZUM ANRICHTEN
einige Kerbelspitzen _ einige Friséesalatspitzen _ Himbeermark _ 12 Pinienkerne
Spitzenkoch Harald Wohlfahrt (©Andreas Hantschke für Tre Torri Verlag)
Die Zubereitung der einzelnen Komponenten
PORTWEINREDUKTION > Portwein und Traubensaft auf 50 ml einkochen.MARINIERTE GÄNSELEBER > Die Gänseleber sehr gründlich von Gallenpartikeln befreien. Leber aufbrechen, Adern und Sehnen vollständig herausziehen. Die Leber innen und außen mit Pökelsalz bestreuen und mit Pastetengewürzsalz, 1 Prise Zucker und Pfeffer würzen. Einen Teil der Portweinreduktion auf ein kleines Randblech streichen. Mit etwas Cognac beträufeln. Abwechselnd Gänseleberstücke, Portweinreduktion und Cognac auf dem Blech verteilen. Zum Schluss mit Klarsichtfolie abdecken und 24 Stunden im Kühlschrank marinieren.
GÄNSELEBERPARFAIT > Eine Terrinenform (7 x 7 x 28 cm) mit hitzebeständiger Klarsichtfolie auslegen. Die marinierte Gänseleber einfüllen, die Form mit einem Deckel verschließen und in ein auf 65 °C temperiertes Wasserbad stellen. Die Gänseleber im Backofen bei 80 °C Umluft ca. 30 Minuten pochieren. Das abgekühlte Gänseleberparfait im Kühlschrank 2 Tage durchziehen lassen.
MADEIRAGELEE > Madeira mit den Gewürzen auf 500 ml reduzieren und durch ein feines Sieb passieren. Die in kaltem Wasser eingeweichte Gelatine im Fond auflösen. Nun 300 ml des Fonds auf ein mit Klarsichtfolie ausgelegtes Blech geben und kalt stellen. Den restlichen Fond zur späteren Verarbeitung beiseitestellen.
GÄNSELEBERTERRINE > Den Boden und die Seiten einer Terrinenform (7 x 7 x 28 cm) mit dem festen Madeiragelee auslegen. Mit einer Aufschnittmaschine das Parfait in ca. 1,5 cm dicke Scheiben schneiden. Eine erste Schicht Parfait in die Terrinenform legen, mit erwärmten flüssigem Madeiragelee übergießen und dann so lange im Kühlschrank kalt stellen, bis das flüssige Gelee fest genug ist, um die nächste Schicht Parfait einsetzen zu können. Diesen Vorgang noch 2 Mal wiederholen, bis insgesamt 3 Schichten Parfait entstehen. Mit flüssigem Gelee oben abschließen. Die Terrine über Nacht durchkühlen lassen.
ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN-CARPACCIO > Die Feigen von der Schale befreien, klein schneiden und zusammen mit dem Banyuls mit einem Stabmixer fein pürieren. Das Püree mit dem Gelierzucker zum Kochen bringen. Die Masse zwischen zwei Folien gleichmäßig aufstreichen und einfrieren. Danach 8 gleich große Rechtecke schneiden und direkt anrichten, damit das Carpaccio auf dem Teller auftauen kann.
MARINIERTE ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN > Den Zucker in einem Topf karamellisieren, mit Banyuls ablöschen und die Gewürze hinzugeben. Den Fond auf die Hälfte reduzieren und mit angerührter Stärke leicht binden. Danach den Fond durch ein feines Sieb passieren und bis zum Anrichten beiseitestellen. Die Feigen sechsteln, hinter der Schale einschneiden, um diese nach innen zu klemmen und dann zum Marinieren in den Banyuls-Fond legen.
GRATINIERTE ROUGE-DE-BORDEAUX-FEIGEN > Die Feigen in Scheiben schneiden und mit braunem Zucker bestreuen. Vor dem Anrichten mit einem Bunsenbrenner abflämmen.
PINIENKERNVINAIGRETTE > Alle Zutaten miteinander verrühren und abschmecken.
ANRICHTEN > 1 Terrinenscheibe in der Mitte des Tellers platzieren und darauf 1 gratinierte Feigenscheibe legen. Von den marinierten Feigen jeweils 1 oberhalb und unterhalb neben die Terrine setzen. Um und auf das Feigen-Carpaccio sowie auf die gratinierte Feigenscheibe etwas Vinaigrette träufeln. Kerbel und Frisée filigran auf den Feigen sowie der Terrine drapieren. 3 Tupfen Himbeermark aus einer Spritzflasche auf die Feigenscheibe sowie das Carpacchio geben und jeweils 1 Pinienkern darauf setzen.
Harald Wohlfahrt wünscht guten Appetit!
Die Kochlegende Harald Wohlfahrt
25 Jahre 3 Sterne – kein anderer deutscher Koch erhielt die Höchstauszeichnung des Guide Michelins über einen so langen Zeitraum wie Harald Wohlfahrt. Von 1992 bis 2017 leitete er die Küche der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn. Sein Weggang spaltete Deutschlands Gastronomielandschaft und sorgte für viel Aufsehen. Nun kehrt er mit einem neuen Projekt zurück in die Öffentlichkeit: 35 seiner legendärsten Rezepte versammelt in einem Buch. Mit Präzision und Feingefühl beweist Harald Wohlfahrt einmal mehr, dass er zu den größten Köchen unserer Zeit gehört.Hier finden Sie eine ausführliche Buchvorstellung: Die Kochlegende Harald Wohlfahrt