Bourgueil und sein Team beim Rhaingau Gourmet und Wein Festival
Beim Rheingau Gourmet und Wein Festival kochte Bourgueil in diesem Jahr bei seinem 13. Auftritt dort ein ganz klassisches, französisches Menü. Im Anschluss sprachen wir mit ihm über Restaurantkritiker, über das Selbstverständnis eines Kochs und das Missverständnis mit dem Glutamat.
worlds of food: Monsieur Bourgueil, Sie haben den französischen Ritterorden als „Kulinarischer Botschafter Frankreichs“ verliehen und von Paul Bocuse überreicht bekommen. Fühlen Sie sich nach so langer Zeit in Deutschland aber nicht eher schon wie ein Deutscher?
Jean Claude Bourgueil: Nein, ich bin gebürtiger Franzose, bin Europäer und Weltbürger. Ich bin froh, dass die Grenzen heute weitgehend gefallen sind.
Die Vorspeise: Millefuille de lapereau
worlds of food: Sie haben mit 13 Jahren angefangen, beruflich zu kochen…
Jean Claude Bourgueil: …das ist richtig. Ich musste damals schon Geld verdienen, es war eben eine andere Zeit.
worlds of food: Hatten Sie nie die Nase voll davon, in all dieser langen Zeit am Herd?
Jean Claude Bourgueil: Es gibt immer Höhen und Tiefen im Leben, nicht nur bei der Arbeit. Manchmal tut man sein Bestes, aber es genügt offenbar nicht. So gibt es hin und wieder Gäste oder auch Restaurantkritiker, die partout nicht zufrieden zu stellen sind. Das kommt vor und das geschieht auch mal aus Boshaftigkeit. Eine Sache ist konstruktive und angebrachte Kritik. Kein Thema, dann lernt man etwas daraus. Wenn es aber polemisch wird, dann habe ich kein Verständnis dafür.
worlds of food: Gibt es diese Probleme auch heute noch?
Jean Claude Bourgueil: Wissen Sie, wenn ein Mensch ein bisschen Macht hat, egal in welcher Branche, dann wird das auch ausgenutzt. Auch heute noch. Ich wundere mich ohnehin oft, wieso so etwas Individuelles wie Geschmack überhaupt bewertet wird.
Zwischengang: Brandade de Nimes en raviole
worlds of food: Sie erzählen mit Ihren Menüs gerne Geschichten, reisen mit den Gerichten dann beispielsweise entlang der chinesischen Gewürzstraße. Ist es heutzutage, wo jeder ohnehin schon alles gesehen und gegessen hat, umso wichtiger, eine solche Geschichte zu erzählen?Jean Claude Bourgueil: Ich finde, das ist eine primäre Aufgabenstellung an einen guten Koch. Viele kochen einfach nur so vor sich hin, heute dies, morgen das. In meinen Augen gibt es aber zwei Möglichkeiten: Man kocht entweder nach Tradition, entwickelt daraus eine Geschichte oder entdeckt und präsentiert ein wunderbares Produkt, um das herum man etwas gestaltet. Der Koch ist nicht der Star – was würde er ohne ein gutes Produkt schon groß ausrichten können?
worlds of food: Aber der Koch veredelt doch das Produkt und bereitet es so zu, dass ihm die nötige Aufmerksamkeit zu Teil wird…
Jean Claude Bourgueil: Dennoch, das Produkt ist Natur, es war nun mal zuerst da. Natürlich muss ein Koch sein Handwerk verstehen, um es zu veredeln. Aber das ist nun mal der Beruf des Kochs, dadurch wird man kein Star in meinen Augen. Mir geht es nur um ein gesundes Selbstverständnis, das ein Koch haben sollte.
Fisch: Filigrane de loup de mer
worlds of food: Sie sind generell sehr ehrlich, haben einst zugegeben, Geschmacksverstärker in Ihrer Küche zu verwenden. Das hat Ihrem Ansehen damals geschadet. Würden Sie das heute wieder tun?
Jean Claude Bourgueil: Wissen Sie, damals wurde aus Unwissen über das Thema Glutamat eine viel zu große Sache in den Medien daraus gemacht. Der Stern schrieb damals „Ein Restaurant voller Glutamat“. Was für ein Blödsinn. Glutamat ist ein Teil der Natur, im Kombu-Seetang ist Glutamat so reichlich enthalten, dass damit unzählige Speisen gewürzt werden. Zudem kommt Glutamat in fast allen proteinhaltigen Lebensmitteln vor, ist dort für den Umami-Geschmack verantwortlich. Das Lebensmittel mit dem meisten natürlichen Glutamat in Europa ist übrigens Parmesan. Das weiß keiner, trotzdem isst es jeder. Dass die Industrie heute aber Glutamat in so großen Mengen künstlich herstellt und ihre Produkte damit anreichert, da kann ich auch nichts dazu. Auch das meiste verwendete Vitamin C heutzutage wird künstlich hergestellt und dennoch kaufen unheimlich viele Konsumenten heute Produkte mit extra Vitamin C.
worlds of food: Benutzen Sie also noch heute natürliches Glutamat?
Jean Claude Bourgueil: Wie gesagt, wir benutzen Kombu-Seetang zum Würzen. Meine Frau ist Japanerin und dort in Japan wird dieses Glutamat zum Ausgleichen von Säure eingesetzt. Es ist nämlich kein Geschmacksverstärker, sondern selbst eine Geschmacksrichtung, die ein saures Gericht oder Produkt in ein angenehmes Gleichgewicht bringt. Glutamat schmeckt nicht süß, ist aber dennoch ein Gegenteil von sauer.
Der Hauptgang: Daube de boeuf Wagyu au vin de Bandol
worlds of food: Bei all Ihrer Erfahrung, wo sehen Sie abschließend denn Probleme in der heutigen Gastronomielandschaft?
Jean Claude Bourgueil: Beim Kochen ist es wie bei allen anderen Handwerksberufen, es gibt immer weniger Meister, die ihr Handwerk wirklich verstehen. Das liegt auch an den Verdienstmöglichkeiten in diesen Berufen. Ein Bäcker verdient heutzutage meist zu wenig, um seinen Lebensunterhalt ordentlich bestreiten zu können. In der Küche ist das genauso. Das ist schade und wir müssen versuchen, all diese Handwerke weiterhin zu verteidigen.
Weitere Infos zu Jean Claude Bourgueil: im-schiffchen.de
Das Dessert: Blanc-manger caramélísé
Derk Hoberg (r.) traf Jean Claude Bourgueil beim Rheingau Gourmet und Wein Festival 2017 im Hattenheimer Kronenschlösschen
Hier: Tolle französische Küche in New York: Das "Le Coucou"