Holger Stromberg: Koch der Weltmeister, würde ich sagen. Herzlichen Dank!
Holger Stromberg in der Küche des Kutchiin (Foto: Derk Hoberg)
worlds of food: Nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2012 haben wir uns bereits unterhalten. Damals sagten Sie, das Turnier sei sehr schön gewesen, jedoch wären Sie gerne noch drei Tage länger vor Ort geblieben. Diesmal musste die Nationalmannschaft und damit auch Sie bis zum letzten Tag der WM bleiben. Die Überstunden haben sich aber gelohnt, oder?
Holger Stromberg: Ganz klar, darauf arbeitet man ja hin. Jede Mannschaft, die bei einer WM antritt, hat dieses Ziel. Egal ob Favorit oder nicht. Wir waren jetzt so häufig sehr nahe dran an einem Titel, da möchte man es umso mehr. iesmal war der Wille zum Sieg immens groß. Dennoch hat man natürlich auch immer im Hinterkopf, dass es schiefgehen kann. Wenn man dann bedenkt, wie viel Arbeit in solch einem Projekt steckt, wie viel Leidenschaft, wie die Spieler an sich arbeiten und wie sie auf dem Platz für den Erfolg kämpfen, wie viel Kritik die Spieler aber auch immer wieder einstecken müssen, dann ist es umso schöner, dass der Turniersieg gelungen ist.
worlds of food: War die Stimmung auf der Party im Anschluss an das Finale deshalb dann besonders ausgelassen?
Holger Stromberg: Gar nicht mal. Ich schätze, man denkt hier in Deutschland, dass die Spieler alles auf den Kopf gestellt haben. Natürlich wurde gefeiert, aber nicht so, wie vielleicht vermutet. Es herrschte eine ganz besondere Stimmung, pure Freude, dann gab es auch wieder ruhige Momente. Eine tolle Atmosphäre. Das ist sicher auch mit einer gewissen Erlösung und Genugtuung zu erklären. Die Spieler wussten, was sie geleistet haben und dass es verdient war.
worlds of food: Welche Eindrücke bringen Sie persönlich denn aus Brasilien mit? Was bleibt – außer dem WM-Titel natürlich – am meisten haften?
Holger Stromberg: Aus kulinarischer Sicht muss ich gestehen, dass ich keine besonderen Highlights in Brasilien entdeckt habe. Ich wollte immer mal diese Ameisen probieren, die dort wie Pfeffer über Gerichte gestreut werden, aber die habe ich leider nirgendwo gefunden. Was viel mehr in Erinnerung bleibt, sind natürlich die Menschen mit denen wir Schulter an Schulter in der Küche zusammengearbeitet haben, deren Herzlichkeit. Und die vielen Missstände und Ungerechtigkeiten in dem Land bleiben natürlich auch hängen. Ich bin ja so gesehen der einzige im Team, der das wahre Leben im Gastgeberland kennenlernt. Die Mannschaft, der Trainerstab, für sie wird natürlich alles getan, damit sie ungestört arbeiten können. Und das läuft ja auch perfekt. Meine Arbeit aber findet hinter den Kulissen statt. Wir arbeiten in der Küche jeweils mit den Einwohnern zusammen, mit Menschen, die in Südafrika zum Beispiel Apartheid erlebt haben, dort in Slums oder eben in Brasilien Favelas leben, mit vielen Problemen zu kämpfen haben. Deshalb bekomme ich wohl noch einen ganz anderen Eindruck vom jeweiligen Land, eben als Kollege in der Küche und beim Einkaufen auf dem Markt.
Die Spieler, hier Thomas Müller, vertrauen Holger Stromberg
worlds of food: Inwieweit bringen sich die Spieler selbst in der Küche ein?
Holger Stromberg: Kleine Wünsche was das Essen angeht sind immer da, das ist klar. Die versuchen wir auch zu berücksichtigen. Aber richtig einbringen können sich die Spieler bei so einer Weltmeisterschaft nicht. Das ist ja auch mein Job. Mir ist auch aufgefallen, dass alle Spieler diesmal noch disziplinierter waren als bei vorherigen Turnieren. Sie haben noch mehr auf das vertraut, was wir ihnen serviert haben. Sonderwünsche wurden wirklich nur sehr zurückhaltend geäußert. Man hat immer den Fokus der Spieler auf das eine Ziel gespürt. Auch die Unterstützung der Stammkräfte durch die Ersatzkräfte habe ich so noch nicht erlebt. Einmalig, das miterleben zu dürfen.
worlds of food: Sie sind während des Turniers immer einen Tag vor der Mannschaft in den jeweiligen Spielort geflogen. Was müssen Sie dort jeweils vorbereiten?
Holger Stromberg: Es waren sogar zwei Tage. Ganz einfach deshalb, weil in Brasilien eine ganz andere Mentalität vorherrscht. Daher sind wir rechtzeitig vorausgefahren, um auf alles vorbereitet zu sein. Bis man sich so eingerichtet ist, wie wir das gewöhnt sind und auch bestmöglich arbeiten können, dauert es eben ein wenig. Und die Bedingungen in den Küchen waren in mancherlei Hinsicht nicht ganz optimal, sie waren zum Teil sehr alt und marode. Und dann mussten wir des Öfteren Haarnetze tragen und ich war immer kurz davor, die jeweiligen Hotelbetreiber scherzeshalber zu fragen, ob das zum Schutz unserer Haare sei.
worlds of food: Es wird viel über den Teamgeist gesprochen und auch über das Team hinter der Mannschaft. Welchen Stellenwert räumen Sie Ihrem Koch-Team dabei ein? Essen hält ja bekanntlich Leib und Seele zusammen…
Holger Stromberg: Natürlich ist es schön, wenn man ab und zu mal auf die Schulter geklopft bekommt. Von einem Trainer, wie Jogi Löw, genügt da oft schon ein Blick oder eine Geste. Der Weltmeister-Titel und die Freude der Fans bestätigt so gesehen dann auch nicht nur die Spieler, sondern das gesamte Team. Aber das entscheidende für mich ist, dass wir in einem Experten-Team zusammenarbeiten, wo jeder weiß, was zu tun ist und jeder sich hundertprozentig engagiert. Dann sieht man auch in den Augen der Spieler, des Teams und der Kollegen vor Ort, dass man gute Arbeit leistet.
worlds of food: Die letzte Frage muss natürlich dem Pokal gelten. Sie haben uns während der WM in den Sozialen Netzwerken mit zahlreichen Fotos auch an Ihrer Arbeit teilhaben lassen. Dort findet man nun auch ein Foto von Ihnen mit dem WM-Pokal. Wann durften Sie ihn denn nach dem Finale in die Höhe stemmen?
Holger Stromberg: Das ging eigentlich relativ schnell. Nachdem wir die Kabine verlassen haben und zur Feier Richtung Mannschaftshotel gefahren sind, ist der Pokal glücklicherweise in dem Van gelandet, in dem ich saß. Vorher hätte ich ihn natürlich niemals vor den Spielern berührt oder gar genommen, den haben sie sich schließlich verdient. Aber im Auto habe ich die Gelegenheit genutzt und gesagt: Her mit dem Ding!
worlds of food: Vielen Dank Herr Stromberg und auf ein Neues in Frankreich in zwei Jahren.
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