Die Essstörung Orthorexie – Was ist das? istockphoto.com/MistikaS

Die Essstörung Orthorexie – Was ist das?

Viele Menschen in Deutschland und der Welt leiden unter Essstörungen. Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder Fresssucht zählen darunter zu den Bekanntesten. Eine relativ neue Essstörung ist Orthorexie. Dabei geht es den Betroffenen nicht darum, besonders wenig oder besonders viel zu essen, sondern sich ausschließlich gesund zu ernähren.

„Wer unter Orthorexie leidet, macht sich oft stundenlang Gedanken, wie er sich gesund ernähren kann“, erklärt Dipl. Oekotrophologin Melanie Stoll. „Bei dieser Essstörung spielt nicht wie bei anderen Störungen die Menge, sondern die Qualität und die Inhaltsstoffe des Essens die zentrale Rolle.“

Orthorexie fängt oft harmlos an. Da eine gesunde Ernährung in allen Medien mittlerweile ein ständiges Thema ist, macht sich wohl jeder Gedanken, was und wie viel er jeden Tag essen sollte. Wie hoch soll der Proteinanteil sein? Welche Fette sind gesund? Darf ich abends Kohlenhydrate essen? „Grundsätzlich ist es nicht falsch, sich über seine Ernährung Gedanken zu machen“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. „Bei manchen wird das aber zu einer zwanghaften Handlung. Dann kann es schon passieren, dass man den halben Tag mit dem Grübeln über seine Ernährung verbringt.“

Bisher wird die Orthorexie oft nur als Spleen oder Marotte gesehen. Immer mehr Ärzte erkennen darin aber die Vorstufe zu einer Essstörung oder sogar zu einer eigenen Krankheit.

Orthorexie (griechisch: orthós „der richtige“ und órexi „Appetit“) wurde erstmals 1997 von dem US-Mediziner Steven Bratman beschrieben. Er lehnt den Namen dabei an die bereits lange bekannte Essstörung Anorexie an, also das fehlende Verlangen nach Nahrung. Bei der Anorexie gibt es dabei zwei Krankheitsbilder: die Anorexia nervosa, bei der die Nahrungszufuhr drastisch reduziert ist und die Anorexia bulimia, bei der sich Heißhungerattacken und der Wunsch abzunehmen abwechseln und daher die aufgenommene Nahrung oft direkt wieder erbrochen wird.

Krankheitsbild der Orthorexie

„Wer unter Orthorexie leidet, ist krankhaft fixiert auf gesundes Essen“, erklärt Melanie Stoll. „Ungesunde Nahrungsmittel, oder solche, die auch nur ungesund sein könnten, werden nach Möglichkeit komplett vermieden. Das kann in verschiedener Hinsicht extrem negative Auswirkungen haben.“ Zum einen leidet die Arbeit oder das Sozialleben, weil die Ernährung im Denken eine zu große Rolle spielt und andere Dinge dadurch verdrängt werden. Nährwertangaben werden studiert, der Vitamingehalt geprüft oder Zusatzstoffe stundenlang studiert. Dabei steht die Suche nach immer gesünderen Lebensmitteln im Fordergrund. Das kann zum zweiten ganz schön ins Geld gehen, wenn Wasser aus Norwegen oder besonders bekömmliche Hirse in Afrika bestellt wird.

Da in Deutschland immer mehr Lebensmittelskandale wie beispielsweise der Gammelfleischskandal oder die Dioxinfunde in Eiern aufgedeckt werden, wird die Bandbreite der „erlaubten“ Lebensmittel immer kleiner. Nach und nach gibt es immer weniger Dinge, die man als Orthorektiker überhaupt noch essen darf. Der Schritt zur Anorexie ist dann nur klein. Da vor allem tierische Produkte entsprechende Schadstoffe enthalten, ernähren sich viele Orthorektiker vegan. Wenn man hier nicht aufpasst, können schnell Mangelerscheinungen und Untergewicht entstehen.

„Häufige Begleiterscheinungen von Orthorexie sind Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen und eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit aufgrund von Nährstoff- und Energiemangel“, erklärt Stoll. Zudem leidet das Sozialleben, weil sich bei Orthorektikern auch in geselliger Runde aufgrund der extremen Fixierung auf Essen das Gespräch meistens nur um die gesunde Ernährung dreht. Zudem sehen sich viele Gesund-Esser in missionarischem Auftrag unterwegs und möchten die Mitmenschen ebenfalls zu der gesunden Ernährung „bekehren“.

Da der Begriff der Orthorexie noch neu ist und viele Mediziner darin lediglich eine Manifestation einer Essstörung, nicht aber eine eigene Krankheit sehen, wird die Orthorexie offiziell noch nicht als Krankheit anerkannt. Daher gibt es auch noch keine wirkliche Therapie. Orthorexie wird bisher wie die anderen Essstörungen behandelt.

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