Wagyus in der Bergwelt: „Die Natur spielt die größte Rolle“ Stefan Rottensteiner; Derk Hoberg -- Wagyu-Züchter Rottensteiner auf der Weide
  • Derk Hoberg / Jessica Bachmann
Stefan Rottensteiner - Südtirols erster Wagyu-Züchter im Interview

Wagyus in der Bergwelt: „Die Natur spielt die größte Rolle“

In der Südtiroler Region Ritten treffen wir Jungunternehmer Stefan Rottensteiner. Er züchtet seit neun Jahren japanische Wagyu-Rinder auf dem Hochplateau über Bozen. Forschung, gutes Futter, viel Zeit und Zuwendung bei der Aufzucht sind die Grundlage für das begehrte Wagyufleisch. Was der Unterschied zwischen Wagyu und Kobe Rind ist und weitere spannende Hintergründe erfahren wir im Interview mit dem Züchter.

Wörtlich übersetzt bedeutet Wagyu "japanisches Rind". Diese können deutlich mehr Fett zwischen den Muskelfasern einlagern als andere Rassen und machen es zu einer beliebten Delikatesse weltweit. Die Regierung Japans erkannte den Wert ihrer einzigartigen Produkte und erklärte die Wagyu-Rinder zum nationalen Schatz. Seitdem ist der Export von Rindern, aber eben auch der Wagyu-Genetik verboten. Dass es hierzulande Zuchten gibt, fußt auf wenige Exporte von Rindern in den 1990 Jahren. Darauf baut auch Stefan Rottensteiners Wagyu-Zucht auf dem Oberweidacher Hof in Ritten in Südtirol auf. Im Interview verrät uns Stefan Rottensteiner, warum die Natur auf dem Oberweidacher Hof die größte Rolle spielt:

worlds of food: Herr Rottensteiner, Wagyus trifft man auch in Südtirol in der Regel eher selten bis gar nicht an. Wie kamen Sie auf die Idee, diese Rinder-Rasse zu züchten?

Stefan Rottensteiner: Meine Eltern hatten auf unserem Oberweidacher Hof damals, wie es hier so üblich ist, Milchvieh in Anbindehaltung. Die Tiere mussten eine gewisse Leistung bringen, was auch ein wenig auf Kosten der artgerechten Haltung ging. Ich wollte hingegen eine Landwirtschaft machen, die natürlich ist, bei der man sieht, dass es den Tieren wirklich gut geht. Da wir ein sehr hochpreisiges Produkt anbieten, steigt die Rentabilität und so können wir es uns leisten, die Rinder so natürlich wie möglich zu halten. Qualität ist bei uns das wichtigste, wir müssen zum Glück nicht wie andere Landwirte darauf schauen, dass wir Preise unterbieten, führen keinen Preiskampf im Supermarkt. Unsere Rinder sind das ganze Jahr draußen. Im Sommer auf der Alm, im Winter auf der Weide hier - dann wird aber Heu zugefüttert. Der viele Schnee macht ihnen übrigens nichts aus, die Hauptsache ist, dass sie einen Unterstand haben.

oberweidacher hof ritten
Idylle pur am Südtiroler Ritten - Der Oberweidacher Hof

wagyu

worlds of food: Wie startet man eine solche Zucht und worauf muss man achten?

Stefan Rottensteiner: Ich kaufte zunächst von anderen Züchtern Tiere oder Embryonen und Sperma. Künstliche Befruchtung war am Anfang nötig, mittlerweile aber nicht mehr. Angefangen habe ich vor neun Jahren. Man muss selektieren, nur Linien, die gutes Fleisch bringen, werden weiter gezüchtet. Bis sie acht Monate alt sind leben die Kälbchen dann mit ihren Müttern halb wild, dann werden sie abgesetzt und leben mit Gleichaltrigen auf Almen und Weide bis sie zwei Jahre alt sind. Das letzte Jahr bildet die Endmastphase, dann leben sie in einen Freilaufstall und werden mit Oliventrester und Biertreber gefüttert. Unsere Tiere leben also mindestens drei Jahre, da sich die Marmorierung erst ab diesem Alter ausprägt. Kälber werden bei uns also keine geschlachtet.

worlds of food: Schlachtet Ihr Eure Tiere denn selbst?

Stefan Rottensteiner: Wir haben die gute Situation, dass gleich um die Ecke ein kleiner Schlachthof ist. Es gibt also keine langen nervenaufreibenden Fahrten für die Tiere. Außerdem lieben es meine Rinder, mit dem Anhänger zu fahren, denn normalerweise bedeutet das, dass sie auf eine neue, saftige Weide mit frischem Gras umziehen. Die gehen dann sogar von ganz alleine auf den Hänger.

wagyu suedtirol
Stehen Sommer wie Winter draußen in der Natur: Stefan Rottensteiners Wagyus

worlds of food: Man hört ja immer das Wagyu-Rinder klassische Musik hören und mit Massagen verwöhnt werden?

Stefan Rottensteiner: Das haben wir alles schon versucht, auch dass die Kühe Bier trinken (lacht). Nein, aber mit Bierhefe haben wir zu gefüttert. Das hat alles keinen Einfluss. Mittlerweile habe ich auch etwa 100 Tiere, das wäre auch viel zu aufwendig. Der große Unterschied an sich ist die Rasse, Wagyus haben ein anderes genetisches Potenzial. Sie setzen viel mehr Fett im Fleisch an, was wir die Marmorierung nennen. Aber es ist nicht nur die Menge an Fett, sondern auch die Qualität des Fettes, die ausschlaggebend ist. Auch ein Angusrind hat das Potenzial, marmoriertes Fleisch zu entwickeln – gerade die weiblichen älteren Tiere. Die Qualität des Fettes vom Wagyu ist aber höher und das ist auch Ernährungswissenschaftlich sehr interessant. Wagyu erkennt man immer heraus, es hat einen niedrigen Fettschmelzpunkt. Der hohe Anteil an Omega 3-Fettsäuren, mehr übrigens als beim Lachs, machen das marmorierte Wagyufleisch zu einem wertvollen Lebensmittel.

wagyu fleisch
Die Fleischmarmorierung wird in BMS (Beef Marbling Score) gemessen. Gutes Wagyufleisch sollte demnach so aussehen wie dieses Steak vom Oberweidacher Hof

worlds of food: Wie vertreiben Sie das Wagyufleisch? Es handelt sich schließlich nicht um ein typisches Supermarkt-Produkt…

Stefan Rottensteiner: Wir haben zwei Vertriebslinien. Neben unserem Online-Shop geht ein Großteil in die Gastronomie. Derzeit schlachten wir etwa 30-40 Rinder im Jahr, doch die Nachfrage steigt stetig. Das Fleisch, dass man hierzulande meist in Großmärkten bekommt, kommt häufig aus Australien oder Japan, hat lange Wege hinter sich. Vor drei Jahren habe ich daher eine Firma mit Gesellschaftern in Deutschland gegründet. Wir bauen seitdem neue Zuchtbetriebe in Deutschland auf, indem wir andere Landwirte mit unseren Rindern ausstatten, und versuchen so, mehr regional verfügbares Wagyufleisch anzubieten.

worlds of food: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wagyu und Kobe Rind?

Stefan Rottensteiner: Kobe ist eine Stadt in Japan, in der die Kobe Rinder geboren sein müssen, aufgezogen und geschlachtet werden, um diese Bezeichnung tragen zu dürfen. Das ist das bekannteste Fleisch, aber meiner Meinung nach nicht das beste. Das Kobe Rind hat eine extreme Marmorierung, das ist den meisten hier zu fettig. Es schmeckt gar nicht mehr nach Fleisch, sondern fast schon mehr nach einem Stück Butter.

worlds of food: Was macht den guten Geschmack bei Ihren Rindern aus?

Stefan Rottensteiner: Bei Wagyufleisch schmeckt man heraus, was das Tier gegessen hat. Fett ist nun mal ein Geschmacksträger und die Aromen und Stoffe aus dem Futter lagern sich im Wagyufett ab. Wenn man das Rind also richtig füttert und hält, kann man sehr geschmacksintensives Fleisch herstellen. In diesem Zusammenhang arbeiten wir auch mit der Universität Bozen zusammen, haben derzeit aber auch eine Forschungsreihe mit einer deutschen Universität. Einer Gruppe unserer Rinder füttern wir nur Gras, der anderen Bergkräuter, Getreide und Oliventrester. Letzteres beeinflusst die Fettqualität sehr positiv. Das habe ich in Japan abgeschaut, das sogenannte Olive Feed. Das so gefütterte Tier ist im Vergleich zum Kobe Rind sogar doppelt so teuer.

wagyu ritten
Ein stattlicher Wagyu-Stier kann bis zu 1.000 Kilogramm auf die Waage bringen

worlds of food: Waren Sie bereits in Japan, speziell in Kobe vor Ort?

Stefan Rottensteiner: Ja, im vergangenen Jahr. Wir hatten hier einen Mitarbeiter aus Japan, der hat mir gute Kontakte vermittelt, so dass ich mir dort verschiedene Betriebe anschauen konnte. Die Japaner haben da schon eine besondere Kultur und da habe ich dann auch ihre Philosophie verstanden, warum sie so extrem marmoriertes Fleisch wollen. Sie haben eine ganz andere Esskultur: Wagyu wird dort in kleinen Mengen gegessen, komplett roh und in Sojasoße eingelegt. Ihnen geht es darum, den Schmelz im Mund zu erleben. Nicht wie bei uns, wo das Fleisch gegrillt wird und man den Fleischgeschmack schmecken will.

worlds of food: Wie oft essen Sie denn Wagyufleisch? Und vor allem: Wie am liebsten?

Stefan Rottensteiner: Sehr gerne esse ich das Fleisch roh als Tatar. Wenn als Steak angebraten oder gegrillt, dann natürlich nur mit etwas Salz gewürzt. Und ich esse oft Wagyu, alle zwei Tage bestimmt. Ich probiere viel mit Kunden und mag fast gar kein anderes Fleisch mehr essen, weil ich einfach weiß, dass es meinen Tieren gut ging. Bei uns spielt schließlich die Natur die größte Rolle.

Weitere Infos: www.wagyu.bz.it und www.marblelution.com