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Interview mit Ilse Aigner – Mehr Lebensmittelspenden an soziale Einrichtungen! Derk Hoberg

Interview mit Ilse Aigner – Mehr Lebensmittelspenden an soziale Einrichtungen!

Das Bundesverbraucherministerium will die Abgabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen erleichtern. Bei einem Besuch der Münchner Tafel e.V. stellte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner einen Ratgeber vor, der sowohl Spendern als auch Empfängern von Lebensmittelüberschüssen die geltende Rechtslage erläutert und damit die Weitergabe von Lebensmitteln vereinfacht. Wir sprachen mit Ilse Aigner über diesen Leitfaden und warum eigentlich so viele Lebensmittel im Müll landen.

worlds of food: Frau Aigner, wir sind hier bei einer Ausgabestelle der Münchner Tafel: Wie wichtig sind soziale Einrichtungen wie diese hier?
Ilse Aigner: Die Tafeln leisten einen wichtigen Beitrag für Bedürftige. Außerdem ersparen sie Unternehmen den Entsorgungsaufwand und die damit verbundenen Kosten für die wertvollen Reste. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier ehrenamtlich leisten, verdient hohe Anerkennung und Respekt.

worlds of food: Warum sind so viele Menschen in Deutschland auf Organisationen wie die Tafeln angewiesen?
Ilse Aigner: Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Sozialsystem und trotzdem muss man natürlich auch bei der Sozialhilfe gut kalkulieren. Bei diesem Termin heute geht es aber um die Lebensmittel. Die Lebensmittel, die hier verteilt werden, sind noch tadellos und dürfen eigentlich nicht im Müll landen.

worlds of food: Dann ist es aber doch umso fragwürdiger, warum so viele Lebensmittel weggeworfen werden…
Ilse Aigner: Das ist richtig. Wenn man einkaufen geht, greift der Verbraucher eben in der Regel zu den Produkten, die am besten aussehen. Wenn Obst und Gemüse nur die kleinste Delle hat, wird es nicht mehr genommen, was ja eigentlich nicht nachvollziehbar ist. Aber so sind die Mechanismen inzwischen. Und es ist viel zu schade, Lebensmittel, die nicht mehr verkäuflich sind, wegzuwerfen. Unsere Studie zeigt ja, dass das meiste was weggeworfen wird, Brot ist, danach aber gleich Obst und Gemüse folgen. Eben weil die Optik nicht mehr stimmt oder weil man zu viel davon gekauft hat und nicht alles sofort verbraucht. Weil es nach ein paar Tagen nicht mehr so gut schmeckt, landet es im Müll.

worlds of food: Die Gesetzgebung hat damit nichts zu tun?
Ilse Aigner: Nein, mit der Gesetzgebung hat das nichts zu tun. Es ist in der Tat der Konsument, der diese Waren nicht mehr annimmt, woraufhin sie aus dem Sortiment genommen werden.

worlds of food: Viele solcher Lebensmittel landen bisher jedoch in den Mülltonnen der Supermärkte und rechtlich gesehen darf sich dort ja niemand bedienen…
Ilse Aigner: Diese Lebensmittel sollen ja erst gar nicht in den Müll und daran arbeiten wir.

worlds of food: Wie versuchen Sie, diese Situation zu beheben?
Ilse Aigner: Genau dafür haben wir unseren Leitfaden zusammengestellt, um genau das zu beheben. Einfach damit mehr Lebensmitteln bei den Tafeln und nicht im Müll landen. Dieser Leitfaden richtet sich übrigens auch nicht an den Ottonormalverbraucher, sondern an die Industrie und den Großhandel, damit diese sich leichter tun, mit den Tafeln zusammenzuarbeiten.

worlds of food: Wovor schrecken den potentielle Lebensmittelspender, also beispielsweise Supermärkte zurück, nicht an die Tafeln zu spenden?
Ilse Aigner: Ich denke das geht bisher zum größtenteils auf Unwissen zurück, da viele einfach nicht genau wissen, an wen sie sich wenden sollen. Wir arbeiten nun auf allen Ebenen an Verbesserungen. Je mehr Lebensmitteln die Tafeln zur Verfügung haben, umso besser, das ist glaube ich im Sinne aller Beteiligten.
worlds of food: Dann hoffen wir das Beste für alle Beteiligten. Vielen Dank Frau Aigner.

Hintergrund: Die Tafeln

aignerInsgesamt gibt es in Deutschland fast 900 Tafeln mit insgesamt über 3000 Ausgabestellen. Über 50.000 hauptsächlich ehrenamtliche Helferinnen und Helfer engagieren sich bundesweit bei den Tafeln und reichen jede Woche zehntausende Tonnen genießbare Lebensmitteln an Bedürftige weiter. Dabei handelt es sich in der Regel um qualitativ einwandfreie Produkte, die im Handel nicht mehr verkauft werden können, zum Beispiel aufgrund beschädigter Verpackungen. Neben der direkten Ausgabe an Bedürftige liefern die Tafeln die gespendeten Lebensmittel auch an zahlreiche soziale Einrichtungen, die die Lebensmittel weiterverwerten. So unterstützt die Münchner Tafel mittlerweile auch zehn Schulen bei den Schulmahlzeiten.

Der Leitfaden

Den neue „Leitfaden für die Weitergabe von Lebensmittelresten an soziale Einrichtungen – rechtliche Aspekte“ des BMELV gibt es zum Download im Internet unter: www.bmelv.bund.de/Ratgeber_Lebensmittelabgabe.