Ernährung zwischen Tür und Angel funktioniert nicht! - Kinderarzt über gesunde Ernährung thinkstockphotos.de

Ernährung zwischen Tür und Angel funktioniert nicht! - Kinderarzt über gesunde Ernährung

Dr. Sven Hower, niedergelassener Kinderarzt in Mülheim, betreut in seiner Praxis zahlreiche Kinder und Jugendliche und erlebt deren Eltern. Nach seiner Beobachtung nimmt die Zahl der übergewichtigen Kinder zu. Fehlernährungen und damit Tendenzen zu Übergewicht stellt er mitunter bereits bei Säuglingen fest, die meisten Kinder mit Übergewicht sieht Dr. Hower im Vorschul- und Grundschulalter.

Frage: Sie sagen, dass Sie deutlich mehr übergewichtige Kinder als mangelernährte bzw. untergewichtige Kinder sehen. In welchem Alter erkennen Sie denn die meisten medizinisch relevanten Fehlernährungen?

Dr. Hower: Es gibt Kinder, die schon im Säuglingsalter eine Fehlernährung und damit eine Tendenz zum Übergewicht zeigen. Die meisten Kinder mit Übergewicht durch Fehlernährung erkennen wir im Vorschul- und Grundschulalter und werden bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen festgestellt.

Frage: Und woran liegt das? Hat sich in Ihrer Beobachtung etwas am Ernährungsverhalten der Kinder und Jugendlichen verändert – sagen wir, in den letzten 5 – 10 Jahren?

Dr. Hower: Die Nahrungsaufnahme findet häufig zwischen Tür und Angel statt. Der Begriff „Fast Food“ ist jedem bekannt. Damit nimmt häufig die Qualität des Essens ab, der Fett- und Kohlenhydratanteil ist meistens zu hoch.

Frage: Was macht es denn dann aus Ihrer Erfahrung so schwer, eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und Bewegung hinzukriegen?

Dr. Hower: Ganz ehrlich, eine gesunde Lebensweise und Ernährung ist doch eigentlich gar nicht so schwer. Natürlich werden wir alle von der Industrie und Werbung beeinflusst und begehen beim Einkauf oft schon die ersten Fehler. Auch spielt die Zeit in unserer heutigen Gesellschaft eine große Rolle. Häufig sind die Eltern beide berufstätig. Die Kinder werden in der Ganztagsbetreuung mehr oder weniger gut  bekocht. Das gemeinsame Abendessen kommt aus Zeitgründen häufig zu kurz. Unter diesem Lebensstil hat der tägliche Medienkonsum zugenommen und die körperliche Bewegung abgenommen. Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und ausreichender Bewegung bedarf einer bewussten Änderung dieses Lebensstils.

Frage: Was sind aus Ihrer Sicht und Erfahrung die bedeutendsten medizinischen und was die schwerwiegendsten sozialen Folgen von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen?

Dr. Hower: Die medizinischen Folgen des Übergewichtes sind den meisten durchaus bekannt. Dazu gehören Veränderungen im Stoffwechsel, eine frühzeitig beginnende Arteriosklerose und eine Typ 2 Diabetes-Erkrankung. Fehlhaltungen im Bewegungsapparat und Überlastungen von Knochen und Gelenken werden begünstigt. Sozial werden übergewichtige Kinder häufig massiv gehänselt bis hin zum Mobbing. Außerdem können sie an vielen üblichen Spielen etwa auf dem Schulhof nicht in der Form teilhaben, wie andere Kinder – sie werden isoliert. Das führt zu Frustrationen, geringem Selbstwert und kann am Ende zu Verhaltensstörungen führen.

Frage: Was raten Sie also den Eltern bzw. Kindern und Jugendlichen vorbeugend?

Dr. Hower: Eine ausgewogene Ernährung ist in jedem Lebensalter von großer Bedeutung. Dazu gehören Obst, Gemüse und das Trinken von ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser. In der Familie sollten Mahlzeiten in Ruhe und gemeinsam eingenommen werden. Zu einer gesunden Lebensweise gehört nicht nur die bewusste Ernährung, sondern auch immer eine ausreichende und regelmäßige Bewegung. Sportvereine organisieren nicht nur die regelmäßige sportliche Betätigung sondern sorgen auch für eine soziale Integration.

Frage: Und was raten Sie therapeutisch – also wenn das Kind bereits übergewichtig ist?

Dr. Hower: Hier empfehle ich über ein bis zwei Wochen die Nahrungsaufnahme und das Trinkverhalten zu dokumentieren, um sich dann den Spiegel vorzuhalten und bewusst das Essverhalten zu korrigieren. Dabei sollte die ganze Familie eingeschlossen werden. Oft muss das Kochverhalten verändert werden. Eine Kontrolle des Medienkonsums ist angeraten. Keine Chips vor dem Fernseher! Zusätzliche Bewegung und der Sport im Verein spielen hier auch wieder eine zentrale Rolle.

Eltern sind Vorbilder und sollten sich klar machen, dass das Vorleben einer gesunden Lebensweise richtungsweisend für das eigene Kind ist. Mangelnde Zeit kann man nicht mit Süßigkeiten, Medienkonsum oder Fast Food wettmachen – diese Rechnung wird definitiv nicht aufgehen!

Quelle: Gesundheits-Magazin-Ruhr