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Zu gut für die Tonne: Kampagne gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln picture alliance

Zu gut für die Tonne: Kampagne gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln

Die Zahlen sind erschreckend: Statistisch gesehen wirft jeder Bundesbürger jährlich 81,6 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. Das entspricht einer täglichen Menge von 225 Gramm – einem durchschnittlichen Frühstück. Die Aktion "Zu gut für die Tonne" soll dagegensteuern.

Diesen Zahlen liegt eine Studie über Lebensmittelabfälle in Deutschland zugrunde, die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner am heutigen Dienstag in Berlin vorgelegt hat. Die Untersuchung der Universität Stuttgart kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte jährlich knapp 11 Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgen. Der Großteil dieser Lebensmittelabfälle (61 Prozent) entsteht in Privathaushalten, gefolgt von Großverbrauchern wie Gaststätten oder Kantinen sowie der Industrie (jeweils rund 17 Prozent).

65 Prozent der Lebensmittelabfälle wären vermeidbar

Von den Privathaushalten werden laut der Studie bundesweit jedes Jahr rund 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Im Schnitt wirft damit jeder Bundesbürger pro Jahr also 81,6 Kilogramm weg. Dabei wären 65 Prozent dieser Lebensmittelabfälle völlig oder zumindest teilweise vermeidbar. Der Gegenwert der vermeidbaren Lebensmittelabfälle wird pro Kopf auf jährlich 235 Euro geschätzt. Am häufigsten auf dem Müll landen dabei Gemüse und Obst – sie machen 44 Prozent aller vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Privathaushalten aus.

„Wir leben in einer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. In Deutschland und Europa wird viel zu viel weggeworfen, wertlos gemacht, vernichtet. Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten, die Verschwendung wertvoller Ressourcen zu stoppen. Es ist Zeit für einen Bewusstseinswandel – und für mehr Wertschätzung für unsere Lebensmittel“, so Aigner in Berlin.

Zu gut für die Tonne

Unter dem Titel „Zu gut für die Tonne“ wird das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Ende März nun eine breit angelegte Informationskampagne für Verbraucher starten. „Wir wollen den Menschen nützliches Wissen  und praktische Tipps vermitteln über den Umgang mit Lebensmitteln – vom Einkauf über die richtige Lagerung bis hin zur Verarbeitung in der Küche. Auf einer neuen Internet-Plattform werden alle Informationen gebündelt“, so Aigner.

Ein umfangreiches Maßnahmen-Paket soll ebenso angestoßen werden. So sei der Handel gefordert, seinen Kunden mehr Informationen über den verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln anzubieten und gleichzeitig zu prüfen, mit welchen Stellschrauben und Maßnahmen eine weitere Reduzierung der Wegwerfraten erreicht werden kann – sowohl im Handel selbst, als auch bei den Verbrauchern.

Zudem setzt sich die Bundesregierung für eine europaweite Bioabfallrichtlinie ein, um die Verwertung der Abfälle EU-weit zu verbessern. Aigner: „Wenn schon Lebensmittel weggeworfen werden, sollten sie wenigstens so sinnvoll wie möglich verwertet werden, etwa über Biogas oder Kompost. Deutschland nimmt hier bereits eine führende Rolle ein.“

Unsinnige EU-Normen sollen abgeschafft werden

Ministerin Aigner bekräftigte, die Bundesregierung werde sich auf EU-Ebene weiter mit Nachdruck für die Abschaffung aller Vermarktungsnormen und deren staatliche Kontrolle einsetzen. 26 von insgesamt 36 Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse seien bereits abgeschafft worden. „Aber hier dürfen wir nicht stehen bleiben. Die zehn noch bestehenden  Vermarktungsnormen, etwa für Tomaten, Salat, Äpfel, Erdbeeren und Pfirsiche, passen nicht mehr in die Zeit. Irgendwelche Normen dürfen kein Vorwand sein, Agrarprodukte unterzupflügen oder einfach wegzuwerfen“, so Aigner.

Die Aktion „Zu gut für die Tonne“ selbst startet am 19. März. Am 27. März werden Experten aus Industrie, Handel, Gastronomie und Landwirtschaft sowie Verbraucherschützer, Vertreter von Kirchen und NGO’s auf Einladung der Bundesministerin zu einer Fachkonferenz in Berlin zusammenkommen und gemeinsam über Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung beraten.

An einem Strang ziehen um Müllberge zu beseitigen

Dabei hofft Bundesministerin Aigner auf einen breiten Konsens: „Für Deutschland sehe ich die Chance, ein breites Bündnis zu schmieden“. Allerdings ist dieser auch nötig, verdeutlichte Aigner nochmals ihr Anliegen: „Erfolg werden wir im Kampf gegen die Müllberge nur haben, wenn alle an einem Strang ziehen – Bund und Länder, EU-Kommission und Mitgliedstaaten, Handel, Industrie, Landwirtschaft, Gastronomie – und nicht zuletzt die Verbraucher.“