Lukas Nagl – Österreichs Koch des Jahres 2023 im Interview dastraunsee/Foto Christof Wagner; Michaela Hessenberger -- Österreichs Koch des Jahres 2023: Lukas Nagl
„Saison und Region geben den Takt vor“

Lukas Nagl – Österreichs Koch des Jahres 2023 im Interview

Lukas Nagl ist Österreichs Koch des Jahres 2023 (Gault Millau). Während andere Meister seines Fachs noch an der Speisekarte schreiben, serviert der 36-Jährige im „Bootshaus“ am Traunsee schon bei den Amuse Bouche kreative Kleinigkeiten, die den Gaumen massiv zum Vibrieren bringen. Woher Nagl seine Inspiration für seine vielfältigen Köstlichkeiten bekommt, warum das Einfache das Beste ist – und warum man Könner am Werkzeug erkennt.

worlds of food: Lukas, kann man es mit der Kreativität in der Küche eigentlich auch übertreiben?

Lukas Nagl: Grenzen gibt es nur im Kopf. Erlaubt ist alles, was schmeckt. Ich mag es, aus dem Bauch heraus zu kombinieren und zu kochen und liefere keine Ingenieur-Kochkunst.

Woher kommt deine Inspiration?

Von meiner Mama und Oma habe ich viel gelernt. Einen guten Koch zeichnet aus, dass er mit einem Ei, Butter, Milch und Mehl etwas richtig Cooles zaubern kann. Und dass er mit dem richtigen Werkzeug professionell schneiden kann und Zutaten wie simplen Schnittlauch nicht mit einem zu wenig scharfen Messer niederdrückt.

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Das Traunsee mit seinem Restaurant Bootshaus

Deine Spezialität ist der Fisch, am liebsten kommt dieser frisch aus dem Traunsee und wird damit direkt vor deiner Nase gefangen. Wie kreativ kann man mit einem Produkt sein, zu dem es bereits Tausende Rezepte gibt?

Wer lustlos an eine Aufgabe herangeht, wird keinen Erfolg haben. Ideen sind eine Essenz meines Berufs. Saison und Region geben mir den Takt vor, alles andere ist das Geschick von Zunge und Herz. Darin habe ich jahrelanges Training. Während andere als Teenager Harry Potter gelesen haben, habe ich den Plachutta in der Hand gehabt und seine Leberknödel im Kopf durchgekocht. Mir ist wichtig, dass ich mit meinen Gerichten nicht am Gast in der Region vorbeiarbeite. Alle Menschen sollen einen guten Abend bei uns verbringen. Ich höre immer wieder, dass manche sagen „Das war das beste Essen meines Lebens!“. Bei allen Gabeln, Sternen und Hauben, die wirtschaftlich fein sind – kommen solche Aussagen von den Gästen, dann haben wir alles richtig gemacht.

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Traunbarsch, Grüne Bohne, Gelber Pfirisch, Haselnussmiso

Nach großen Auszeichnungen wie etwa dem „Koch des Jahres“ darf kein Stillstand einkehren. Wie stellst du das sicher?

Die Welt dreht sich weiter. Ich bin Koch des Jahres geworden und am nächsten Tag habe ich wieder gekocht. Meine Glückseligkeit möchte ich nicht auf Auszeichnungen aufbauen. Das gesamte Team und ich müssen ja sowieso jeden Tag die volle Leistung erbringen. Das ist eine knallharte Aufgabe, die sich viele schönreden. Damit der Erfolg bleibt, muss das Team super verdienen, Freizeit haben, Trinkgeld bekommen.

Du beschreibst dich als eine Art Spielertrainer in der Küche...

Ja, ich bin jemand, der jede und jeden akzeptiert, wie sie oder er eben ist. Mit Zeit und mentaler Unterstützung erreiche ich viel. Soziale Kompetenz und Zuhören sind wichtig. Nehmen wir die Diskussion um eine vegetarische oder sogar vegane Kochlehre. Diese Themen gehören in die Ausbildung integriert. Doch niemand spricht darüber, dass ausbildende Köche in der Regel kein pädagogisches Wissen haben. Leider gibt es auch kaum ältere, erfahrene Profis in der Küche, sie wechseln meist in die Wirtschaft und damit in ein ruhigeres Leben. Dabei wäre ihr Wissen so wichtig in der Gastronomie!

Was ist „ehrliches Essen“ für dich?

Ein super Produkt, das man nicht verhunzt. Die Kunst ist, Protagonisten ins Rampenlicht setzen. Wenn ich von meiner Bäuerin im Frühling Spargel bekomme, dann will ich den auf dem Teller sehen und ihn schmecken. Deshalb flankiere ich ihn mit Nuancen, die ihm guttun. Oder denken wir an eine Sauce Bolognese. Man muss nicht immer das Rind herausschmecken, es kann auch einmal der Barolo im Vordergrund sein. Die Frage ist, wo ich jemanden beim ersten Bissen hinzaubern möchte. Lamm kann Leute in die Provence bringen, indem ich mit Lavendel und Rosmarin arbeite. Welches Öl harmoniert, welcher Essig – diese Gedanken laufen bei mir im Hintergrund einfach mit.

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Michaela Hessenberger traf Lukas Nagl zum Interview im Boothaus

Was können wir uns von dir mit in die eigene Küche daheim nehmen? Darf’s auch da ein bisserl Chichi sein?

Ich selbst achte daheim darauf, weniger einzukaufen. Das, was ich hole, soll dafür seinen Wert haben. Wenn ich weniger im Kühlschrank habe, koche ich besser. Ich gehe gerne barfuß in den Garten und hole frische Kräuter. Die schmecken und sehen gut aus am Teller. Außerdem mache ich alles in Ruhe. Das musste ich erst lernen, aber Hektik nutzt in keiner Lebenslage. Ein kleiner Tipp fürs Wochenende: Wenn wir den Tisch nett herrichten und unser Sonntagsgeschirr aus dem Schrank holen, macht allein das schon einen Unterschied.

Weitere Informationen: Das Traunsee / Bootshaus