Mit Redzepi von der Küche ins Kino Pierre Deschamps -- Szene aus dem Film Noma - My perfect Storm
  • 02. Februar 2017
  • Derk Hoberg
Regisseur Pierre Deschamps über seinen Film "Noma"

Mit Redzepi von der Küche ins Kino

Pierre Deschamps begleitete René Redzepi für seine Dokumentation „Noma“ drei Jahre lang mit der Kamera. Herausgekommen ist ein emotionales Portrait über den dänischen Spitzenkoch und dessen gleichnamiges Restaurant, das viermal zum besten der Welt gewählt wurde. Das Interview zum Filmstart am 9. Februar.

worlds of food: Pierre, Sie haben viel in der Küche des Noma gedreht. War das Ihr bisher „heißester“ Job?

Pierre Deschamps: Ich bin selbst ein ausgebildeter Koch und das hat mir natürlich geholfen, diesen Kosmos zu verstehen. Zunächst war ich aber ohne Kamera in der Küche. Die Küchenmannschaft sollte sich erst an mich gewöhnen. Mit meinem Hintergrund konnte ich schnell ihr Vertrauen gewinnen, das hat geholfen. Aber in der Küche selbst gab es nur einen einzigen Ort, an dem ich mit der Kamera stehen konnte. Dort stand ich eng an der Wand und tauschte Objektive aus, um auch mal andere Stellen in der Küche filmen zu können. Das schwierigste aber war, die Konzentration und die Energie über drei Jahre hoch zu halten. So lange habe ich gefilmt, musste immer wieder nach Kopenhagen. Aber das Thema und die Arbeit mit René Redzepi waren so spannend, dass es sich gelohnt hat.

worlds of food: Wie oft waren Sie für den Film denn im Noma?

Pierre Deschamps: Ich bin etwa 40 Mal hingeflogen und habe insgesamt 100 Tage gefilmt. Herausgekommen sind dabei 170 Stunden Filmmaterial.

deschamps
Pierre Deschamps


worlds of food: Hat René Sie angerufen, wenn etwas Besonderes anstand?

Pierre Deschamps: Nein, das nicht. Ich wollte immer nur beobachten, keine Anweisungen geben. Das Team sollte sich so wie immer verhalten. Wenn ich etwas Spezielles verpasst habe, dann war das eben so. Wir haben das nicht nochmals nachgestellt. Manchmal ist aber auch wochenlang nichts Besonderes passiert und ich konnte das entstandene Material nicht verwenden.

worlds of food: Wie oft durften Sie denn das Essen im Noma probieren?

Pierre Deschamps: Zwischendurch habe ich nur manchmal etwas probieren können. Zum Beispiel hat mir Thomas Frebel, der deutsche Koch aus dem Noma, mal ein Cured Egg zum Probieren gegeben, das wirklich unglaublich war. Aber ich habe auch dreimal als Gast dort gegessen. Es war jedes Mal eine Offenbarung, denn was René macht, ist fantastisch. Und wenn man sieht, welch hohe Kunst dahintersteckt, dann ist das auch für mich als Koch eine wirklich neue Erfahrung. Genau deshalb wollte ich auch einen Film darüber machen.

noma redzepi

worlds of food: Hat die Zusammenarbeit mit René auch Ihre eigene Art zu kochen beeinflusst?

Pierre Deschamps: Höchstens ein wenig, weil Renés Art zu kochen einzigartig ist. Aber ich experimentiere jetzt auch ein wenig mehr, lege den Ingwer für mein Sushi zum Beispiel selbst ein, obwohl ich nach wie vor lieber gute Hausmannskost esse und gerne Eintöpfe und Schmorgerichte koche, die von Tag zu Tag besser werden.

worlds of food: Wie schätzen Sie denn Redzepis Einfluss auf die gehobene Küche ein?

Pierre Deschamps: Wissen Sie, bei uns in Frankreich denkt ja jeder, dass wir der Nabel der Welt sind, was gehobene Küche angeht. Das war auch mal so, es hat sich aber lange geändert. Auch wegen René Redzepi. Ich habe nie solche Geschmackserlebnisse wie bei René gehabt. Dazu die neuen Zubereitungsmethoden, die er kreiert und sich gleichzeitig auf regionale und alte Lebensmittel besinnt. Viele versuchen – und ich sage bewusst versuchen – das zu kopieren. Ich habe das in einigen anderen Restaurants festgestellt.

worlds of food: Frankreich braucht also eine Food-Revolution?

Pierre Deschamps: Frankreich muss sich in vielerlei Hinsicht heutzutage der Welt öffnen, ja. Wir sind stark in der Basis, in dem was wir gelernt haben. Aber wir müssen unsere Küche weiterentwickeln.

worlds of food: Wie haben Sie die Arbeit des gesamten Teams im Noma wahrgenommen?

Pierre Deschamps: Demokratisch, aber immer konzentriert. Und sehr experimentell. Dort verfährt man nach dem Motto „Try and Fail“ (probiere aus und scheitere, Anm. d. Red.). So entwickelt sich das Team täglich weiter. René ist dabei der unumstrittene Anführer. Ohne René gäbe es kein Noma. Er pusht seine Mitarbeiter ans Limit. Ohne seinen Willen, wirklich in der Küche etwas zu verändern, wären sie nicht dort, wo sie heute stehen. Sie beeinflussen die ganze Welt mit ihrer Küche. Aber René ist als Trendsetter noch nicht am Ziel, das neue Noma im Herbst 2017 wird der nächste Schritt nach vorne sein.

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Deschamps und Redzepi beim Drehen


worlds of food: Wie würden Sie den Menschen René Redzepi nach Ihrer Zusammenarbeit beschreiben?

Pierre Deschamps: René hat nie vergessen, wo er herkommt und wie ihn seine Eltern erzogen haben. Er arbeitet hart und viel, ist aber auch für seine Familie da. Er kocht Essen für seine Kinder, schmiert ihnen Pausenbrote und fährt sie mit seinem lustigen Lastenrad durch Wind und Wetter zum Kindergarten und zur Schule. Ein berühmter Koch in Frankreich hätte dafür einen Fahrer. René ist ein sehr demütiger Mensch, das beschreibt ihn glaube ich am besten.

worlds of food: Sie zeigen im Film die komplette Bandbreite an Emotionen, es geht auf und ab. Wie war René Redzepis Reaktion auf den fertigen Film?

Pierre Deschamps: Er machte mir das beste Kompliment, was ich mir vorstellen konnte. Er sagte, er sieht sich selbst im Film. Und er sieht das Noma, wie es ist.

Der Trailer: Noma - My perfect Storm

 

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