Koch des Jahres: Peter Maria Schnurr in Leipzig Christian Verlag
  • 10. November 2015
  • Redaktion
Gault&Millau

Koch des Jahres: Peter Maria Schnurr in Leipzig

Der neue Gault&Millau kritisiert mehr Schein als Sein und mehr Technik als Genuss in der deutschen Küche. Wer dagegen zu den besten Köchen gehört, erfahren Sie hier:

„Das Motto ‚Mehr Schein als Sein‘ findet leider auch in der deutschen Gastronomie zunehmend Anhänger. Immer öfter spielen Äußerlichkeiten eine größere Rolle als das, worum es eigentlich geht: den guten Geschmack. Landauf, landab begegneten wir vielen Tellern, die anscheinend nur auf Optik getrimmt sind. Schon klar, man möchte all den Bloggern und Gourmetnomaden, die am nächsten Morgen schöne Fotos ins Netz stellen wollen, etwas bieten. Deswegen sehen immer mehr Teller aus wie von Foodstylisten designt. Leider schmecken sie auch so“, beklagt die französische Gourmetbibel Gault&Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2016.

Doch es geht auch anders: Viele Köche nehmen sich derzeit mit besonderem Ehrgeiz des Themas Gemüse an – der Gourmetführer präsentiert die besten Gerichte des Jahres. Er setzt sich zudem mit aktuellen Genusstrends wie Streetfood als Inspiration für die gehobene Küche, dem Kult um Highend-Rinder wie Wagyu&Co sowie der Wiederentdeckung alter Rassen auseinander. Zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung ziehen die Kritiker eine kulinarische Bilanz der Entwicklung in den neuen Bundesländern: Perspektivisch gesehen geht es aufwärts, vor allem in den vom Tourismus begünstigten Metropolen Leipzig und Dresden, der Kulturstadt Weimar sowie den Ostseebädern. Engagierte Landwirte, Züchter und Jäger beliefern heute sogar Berliner Spitzenköche und immer mehr junge Gastronomen kehren von Lehr- und Wanderjahren in ihre Heimat zurück, um den kulinarischen Aufbau Ost voranzutreiben.

Vehement bedauern die Kritiker die Tendenz zur Großen Küche per Knopfdruck: „In Abwandlung eines viel zitierten Satzes von Eckart Witzigmann (Das Produkt ist der Star) heißt es in vielen deutschen Küchen heute: Die Technik ist der Star. Allenthalben bekommt man minimalen Wareneinsatz, aufgemotzt mit größtmöglicher Küchentechnik. Mit Vakuumiergerät, Rotationsverdampfer, Thermomix und Pacojet gleichen viele Küchen heute technisch hochgerüsteten Versuchslaboren. Diese Technikverliebtheit deutscher Köche führt nicht zum Genussgewinn für den Gast, sondern zu einer Verarmung des Kochhandwerks. Schade finden wir, wenn junge Küchenchefs nicht mehr den Ehrgeiz an den Tag legen, dem Gast innerhalb eines Menüs Fisch und Fleisch in verschiedenen Garmethoden zu bieten, sondern alles, vom Kaninchen über die Bachforelle bis zum Entrecôte, stereotyp in Plastik packen und ins Wasserbad senken – mit dem erwartbaren Ergebnis, dass der zarte Fisch jegliche Struktur verliert und das Fleisch Saft und Kraft. Es ist so weit gekommen, dass man als Gast regelrecht Dankbarkeit empfindet, wenn man einmal wieder eine großzügig portionierte, saftige Schnitte besten bretonischen Steinbutts auf dem Teller hat, der nach Meer und nicht nach Verfremdung schmeckt.“   

Der „Koch des Jahres“ tischt FKK und Peep Show auf

Als „Küchenkünstler voller Sturm und Drang mit einem mutig-eigenständigen Stil“ kürt der Guide den 46-jährigen Peter Maria Schnurr vom Leipziger Restaurant „Falco“ zum „Koch des Jahres“. „Wer seine Karte mit Kreationen wie ‚FKK‘ (ein Stopflebergericht) und ‚Peep Show‘ (ein Dessert auf Mango-Basis) schmückt, der will provozieren und so ist auch seine Küche: voller expressiver Aromen und überraschender Produktallianzen, die am Gaumen aber stets perfekt aufgehen“, so urteilen die Tester. Und schwärmen: „Ein grandioser Teller ist auch der butterzart gegarte Bauch vom Livar-Klosterschwein, den eine Garnitur von Pastinakenpüree, geschmortem Spitzkohl, eingeweckter Quitte und Senfkörner zierte. Dazu gab es nichts als einen ordentlichen Klacks intensiv schmeckenden, den Gaumen aber kühl streichelnden Haselnussjoghurt.“

Für solche Gerichte erhält der gebürtige Schwarzwälder, der in seiner Freizeit Schlagzeug spielt und gern schnelle Autos sowie gelegentlich Skateboard fährt, 19 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „weltbeste Restaurants”.

Eine noch höhere Note erhielt mit 19,5 Punkten erstmals Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern am Tegernsee für seine „tiefgründigen Genüsse voller kulinarischem Esprit, die umso eindrucksvoller sind, je unspektakulärer sie daherkommen.“ Typisch für „seine Genieblitze ist etwa das Lamm als eine Art überhöhte Spare Rib, die sich als raffiniert marinierte, geschmorte und gefüllte Geschmackssensation entpuppt: Nur das zarteste Fleisch aus der Rippe wurde, im Wechsel mit geröstetem Brot geschichtet, in einen Lammschinken gewickelt und in der Sauce gargezogen.“

Hier finden Sie eine Liste der besten Köchen Deutschlands

Auf 18 Punkte, die „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung” bedeuten, steigern sich Andreas Krolik vom „Lafleur“ in Frankfurt am Main, Tohru Nakamura von „Geisels Werneckhof“ in München und Paul Stradner von „Brenners Park-Restaurant“ in Baden-Baden, der „das sehr traditionsreiche Haus in solcher kulinarischen Frische vibrieren lässt“, dass ihn die Kritiker dafür als „Aufsteiger des Jahres“ küren.

17 Punkte erreichen erstmals Andreas Aumer vom „Aumers La Vie“ in Nürnberg, Tristan Brandt vom „Opus V“ in Mannheim, Sascha Kemmerer  von der „Kilian Stuba“ im Kleinwalsertal, Mario Paecke vom „Luce d’ Oro“ in Elmau (Oberbayern), Kurt Podobnik von „Podobnik’s Gourmet“ in Würselen (Rheinland), Mario Sauer vom „Le Gourmet“ in Heidelberg, Daniel Schimkowitsch vom „L. A. Jordan“ in Deidesheim und Daniel Schmidthaler von der „Alten Schule Fürstenhagen“ in Feldberger Seenlandschaft (Mecklenburg).

Der Guide erscheint im Münchner Christian Verlag (656 Seiten, 34.99 Euro), ISBN 978-3-86244-830-2



 

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