Holger Stromberg im Interview – Die Nationalspieler sollen sich wie zu Hause fühlen worldsoffood.de

Holger Stromberg im Interview – Die Nationalspieler sollen sich wie zu Hause fühlen

Seit 2007 ist Holger Stromberg der Koch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. In Turnierjahren ist der Sternekoch bis zu 180 Tage mit dem DFB-Tross unterwegs. worlds of food traf den Wahl-Münchener nun kurz nach der Euro 2012 und sprach mit ihm über die Ernährung der Fußballer. Dabei liefert er interessante Einblicke in die Küche der Nationalmannschaft.

worlds of food: Herr Stromberg, Sie sind noch nicht lange wieder da, die deutsche Mannschaft war wieder einmal lange im Turnier dabei. Wie war es in Polen und der Ukraine?
Holger Stromberg: Wie immer lange dabei, ja, obwohl wir sehr gerne noch drei Tage länger geblieben wären. Letztendlich war es aber ein tolles Turnier, wir hatten eine sehr schöne Zeit in Polen und der Ukraine. Das sind wirklich zwei tolle Länder, obwohl man, wenn man weit in die Ukraine hinein fliegt, in eine andere Welt kommt. Das hat mit dem Europa, welches wir kennen, nicht viel zu tun. Aber das macht ja auch den Reiz aus. Zum einen geht das an die Nerven, was die Arbeit angeht, denn man muss sich kulinarisch doch auf manche Überraschung einstellen. Zum anderen war die Unterstützung der Gastgeber dort aber wahnsinnig gut. Auffällig war, wie viele Frauen dort in der Küche tätig sind. Das sind die Leistungsträger dort, die Männer in der Küche hingegen waren schneller müde.

worlds of food: Worauf müssen Sie beim Kochen für die Nationalelf achten? Kohlenhydrate allein machen auch nicht glücklich, oder?
Holger Stromberg: Nein, die machen nicht glücklich und vor allen Dingen bringen sie einen auch nicht weiter, wenn man sich nur darauf einschießt. In der Regel ist es so wie auch hier in der Spitzenküche, man muss bei allem was man verwendet auf die Qualität achten. Da geht es gar nicht so sehr um das hundertprozentig stimmende Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, sondern eben darum, die richtigen Fette zu verwenden. Auch bei den Eiweiß-Produkten wie Fisch oder Geflügel muss man gute Ware finden, was in fremden Ländern natürlich nicht immer ganz einfach ist, weil man ja die Herkunft nicht kennt. Kommt das Hühnerfleisch aus der Massentierhaltung, sind häufig leider Antibiotika oder andere Mittelchen bei der Aufzucht im Spiel, was uns schlussendlich dann auch bei einer Doping-Kontrolle Ärger bereiten könnte. Es gilt also, auf Vieles zu achten. Am wichtigsten ist es jedoch, der Mannschaft das Gefühl zu geben, sie kann sich wie zu Hause fühlen. Von Tag eins an. Und das ist die große Kunst, das mit wenig Equipment und den Gegebenheiten in der Fremde zu erreichen.

worlds of food: Und welche Lebensmittel verwenden Sie dann vermehrt? Haben Sie einige Beispiele für uns?
Holger Stromberg: Bei der Verwendung der Zutaten achten wir darauf, zum Beispiel öfter Vollkornprodukte zum Einsatz zu bringen. Weniger Weizen, mehr Dinkel oder Buchweizen. Gerade Buchweizen ist dort in der Region weit verbreitet. Zudem suche ich den Zucker selbst aus, verwende Rohrzucker. Dazu gute Öle, überwiegend Olivenöle. Das bespreche ich zuvor auch mit den Kollegen in den Küchen vor Ort, sortiere zum Teil deren minderwertige, oxidierte Öle aus. Beim Kochen selbst verwende ich dann zahlreiche Gewürze, damit die Gerichte schmackhaft sind. Zum Beispiel Vanille, das die Glückshormonproduktion ankurbelt, gleichzeitig aber auch die Nerven beruhigt. Kakao gibt es auch immer mal wieder, weil er die Konzentration steigert. Zudem habe ich den Spielern immer Smoothies aus frischem Obst gemischt. Zum Beispiel einen Basilikum-Banane Drink. In flüssiger Form nimmt der Körper die Inhaltsstoffe schneller auf und der Geschmack kam auch sehr gut an bei den Spielern.

stromberg mllerworlds of food: Wie sehr müssen die Spieler und Sie beim Kochen denn auf Kalorien achten?
Holger Stromberg: Ich glaube, wenn ich einzelne Leichtathleten betreuen würde, müsste ich mehr darauf achten. Bei uns geht es ja darum, eine ganze Mannschaft zu versorgen, da muss für jeden das Richtige dabei sein. Was mir aber auffällt ist, dass die Spieler selbst heute wesentlich besser wissen, was gut für sie ist und sie sich beim Buffet genau die Produkte heraussuchen, die ihnen gut tun und auch auf die Portionen achten. Die Ernährungslehre hält auch immer mehr Einzug bei den einzelnen Vereinen, und das kommt uns beim DFB natürlich zu Gute. Und das macht natürlich ungeheuer Spaß, so mit den Spielern zusammenzuarbeiten.

Bild:
Nationalspieler Thomas Müller guckt Holger Stromberg in den Topf (©gettyimages)


worlds of food: Es geht also nicht mehr nur um Carboloading. Wenn die Spieler aber bereits für die Ernährung sensibilisiert sind, ist dann im Ernährungsbereich das Ende der Entwicklung erreicht?
Holger Stromberg: Nein, das denke ich nicht. In der A-Mannschaft ist es natürlich schwer, Experimente zu machen, aber ich bin ja auch für die Junioren-Mannschaften des DFB zuständig. Ich habe mich diesbezüglich mit Matthias Sammer, als er noch beim DFB war, darauf verständigt, in diesem Umfeld ein paar Dinge auszuprobieren und ein paar Leistungstests zu machen. Ich bin der Überzeugung, dass Carboloading nicht für jeden Spieler gut ist. Da schwebt mir vor, dass die Spieler an einem Trainingstag einmal ausprobieren, die notwendigen Kohlenhydrate nur mit Hilfe von Gemüse zu sich zu nehmen. Einfach, damit die Spieler merken, was ihnen gut tut und was nicht. Mein großes Ziel dabei ist, die messbaren Leistungskurven zweier gleichwertiger Mannschaften – eben aus dem Junioren-Bereich – zu prüfen. Die eine Gruppe isst das, was sie möchte, die andere betreuen wir rund um die Uhr. Anschließend überprüfen wir ihre Leistungswerte. Matthias Sammer und Dr. Schuhmann vom DFB waren von dieser Idee sehr angetan.

worlds of food: Wissen Sie denn, wie die anderen Nationalmannschaften im Ernährungsbereich arbeiten?
Holger Stromberg: Nicht so sehr, nein. Ich habe mal den türkischen Koch getroffen, der mir von seinem Stress berichtete, immer 40 Käsesorten an Board haben zu müssen, weil jeder Spieler da zwei bis drei seiner Lieblingskäsesorten haben möchte. Das habe ich so auch noch nicht gehört. Ansonsten bekomme ich immer das Feedback aus den Hotels, von den Köchen vor Ort, dass es keine andere Mannschaft gibt, die in dieser Hinsicht so professionell arbeitet wie wir. Auch wenn es für die Mitarbeiter in den Küchen vor Ort natürlich auch einen enormen Mehraufwand bedeutet. Ich selbst merke das ja gar nicht mehr so, diese Anerkennung freut einen aber natürlich.

worlds of food: Das spricht für den DFB, dass in dieser Hinsicht alles für den Erfolg getan wird. Auf ein Neues in Brasilien 2014!
Holger Stromberg: Naja, die Ernährung allein hat noch kein Spiel gewonnen. Wir können für die nötige Fitness sorgen, aber am Ende des Tages gehören viele verschiedene Punkte dazu, ein Turnier zu gewinnen. Leider ist es diesmal wieder nicht gelungen, den letzten Schritt zu machen. Es ist schade, dass wir dann gegen den sogenannten Angstgegner Italien verloren haben, weil wir an diesem Tag nicht clever genug waren. Ich war der festen Überzeugung, dass wir die nötige Qualität hatten, um dieses Mal auch die Spanier zu bezwingen. Aber so ist Fußball eben, da entscheiden Kleinigkeiten.

worlds of food: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stromberg.

Mehr Infos zu Holger Stromberg gibt es hier: www.holgerstromberg.de

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