Tim Raue: Süß, Sauer, Scharf Derk Hoberg
Tim Raues Menü beim Rheingau Gourmet Festival

Tim Raue: Süß, Sauer, Scharf

Beim 20. Rheingau Gourmet Festival kommen in den nächsten 14 Tagen 24 Köche mit insgesamt 45 Michelin-Sternen zusammen. Tim Raue sorgt dabei für einen gelungenen Auftakt. Wir begleiten Tim Raue durch seinen Tag und sein Menü beim Rheingau Gourmet Festival 2016.

tim raue menueEin Gourmet-Festival ist schon etwas Feines. Wo sonst kommen so viele Spitzenköche an einem Ort zusammen, um außerhalb ihres Restaurants zu kochen? Für die Gastköche ist solch ein Auftritt aber immer auch eine Herausforderung. In einer fremden Küche für über 100 Gäste zu kochen, birgt nun mal seine Risiken. Die Abläufe sind anders, das Team ist nur zum Teil das eigene und die Gerätschaften in der Küche sind auch nicht die gleichen wie daheim. Und: Um ein solches sechsgängiges Menü, das Tim Raue im Rheingau präsentiert, „a la Minute“ hinzubekommen, ist schon in den eigenen vier Küchenwänden höchste Konzentration gefragt.


Immerhin haben Küche und Köche des Hattenheimer Kronenschlösschens, seit 19 Jahren der Ort des Geschehens des Rheingau Gourmet Festivals, ihre Improvisationskünste und die gute Zusammenarbeit mit unzähligen Gastköchen reichlich unter Beweis stellen können. Am Schluss gelingt dann doch immer alles. So auch bei Tim Raue, der zwei Köche aus seinem Berliner Team mitgebracht hat und dem man in der Küche anfangs auch noch eine gewisse Anspannung anmerkt.

Tim RaueTim Raue (re.) erklärt sein Menü zunächst Festivalchef Hans B. Ullrich

Die Gäste des Rheingau Gourmet Festivals bekommen indes wenig davon mit, wie es während der Menü-Vorbereitungen um den Koch bestellt ist. Sie genießen die Vorzüge eines solchen Festivals – nicht wenige unter ihnen haben mehrere Veranstaltungen in den kommenden Tagen gebucht und freuen sich darauf, die Handschrift gleich mehrerer Spitzenköche wie eben Tim Raue, Sven Elverfeld oder auch jene von internationalen Protagonisten wie Onno Kokmeijer kennenzulernen. Für die Köche wiederum ist es ein Schaufenster, um die Gäste von hier auch mal in ihr Restaurant zu locken.

Mehr zum Thema: Hier lesen Sie unser ausführliches Interview mit Tim Raue

Das Lunch mit Tim Raue beginnt derweil mit Austern und weiteren Amuse Gueules aus der Küche des Kronenschlösschens, in der Sternekoch Simon Stirnal seit kurzem Zepter und Kochlöffel schwingt, einem Glas Champagner und hier und da auch einem Gespräch über den letzten TV-Auftritt des heutigen Gastkochs.

Süße, Säure, Schärfe

Nun scheint sich auch Raue zu freuen, denn zu Beginn des Essens ist er bereits so gelöst, dass er seinen Gästen mit viel Humor und einer ordentlichen Prise Frechheit die heutige Menüabfolge erläutern kann, die wir Ihnen hier nicht vorenthalten wollen. Auch den Wein, der hier im Rheingau eine große Rolle spielt, im heutigen Fall aber von der Nahe stammt, baut Raue augenzwinkernd in seine Eröffnungsrede ein und sorgt damit für einige Lacher:

„Als ich angefangen habe zu kochen, habe ich auch gleichzeitig angefangen zu saufen. Nein, Spaß beiseite: Wein ist etwas, was mir unglaublich viel Spaß macht. Und da alle meine Gerichte Süße, Säure und Schärfe haben, teilweise sogar eine prägnante Schärfe, braucht man einen Wein mit einer gewissen Restsüße. Die Weine von Armin Diehl, die wir heute zum Menü servieren, fangen meine animierende Schärfe recht gut auf.“ Raues Ansage hört sich fürs Erste natürlich recht gewagt an, liefert aber einen wunderbar beschwingten Auftakt in einen familiären Mittag im Kronenschlösschen.

Tim Raues Menü

Den Auftakt zum Menü machen Jakobsmuschel, Holunderblüte und Cordifol. Tim Raue dazu:
„Die Jakobsmuscheln werden nur kurz gebeizt, angedämpft und dann zu Sashimi geschnitten. Die Holunderblütenmarinade wird zusammen mit grüner Melone und grünen Apfelstückchen darüber gegeben und Cordifol dazu gereicht, ein bissfester, französischer Salat."
jacobsmuschel

Als zweiten Gang serviert Tim Raue Zander, Soja, Lauch und Ingwer: „Das ist ein kantonesischer Klassiker, gedämpfter Fisch mit Lauch und Ingwer. Allerdings spielen hier weder Fisch, noch Lauch, noch Ingwer die Hauptrolle. Elementar in unserem Fall ist die Sojabrühe, die es dazu gibt. Diese ist aus Entenhälsen und Entenfüßen und zehn Jahre lang im Holzfass gereifter Sojasoße aus Japan gekocht."

Zander

Für den nächsten Gang hat Raue nur eine kurzknappe Erklärung bereit, weshalb wir im Anschluss die eigene Erfahrung übermitteln: „Der Wasabi Kaisergranat wird sich selbst erklären, wenn Sie ihn essen.“ Was Raue wohl damit sagen wollte: Das passt einfach! Und da geben wir ihm Recht. Nachdem der Kaisergranat zunächst in asiatischem Backteig frittiert wird, wird er mit Wasabi und Reisflakes serviert, die für ein besonders knuspriges Mundgefühl sorgen.

kaisergranat

Beim nächsten Gang wird Raue noch familiärer. Die Ursprünge für sein Spanferkel, Dashi und Ingwer verortet er bei seiner verstorbenen Großmutter: „Meine Oma hat Schwein mit Räucherfisch gekocht und ich habe dann dieses Gericht daraus gemacht, damit ich mich jeden Tag an sie erinnern kann."

spanferkel

Peking Ente, der fünfte Gang, gilt ein wenig als Signature Dish Tim Raues: „Da wir jetzt Mittagszeit haben und ich großer Hong Kong-Fan bin und dort zur Mittagszeit immer Dim Sums gegessen werden, gibt es heute eben Dim Sum von der Peking Ente.“

pekingente

Was fehlt, ist das Dessert. Raue kündigt es nur noch kurz als „hinreißende Flugmango“ aus Thailand an und eilt zurück in die Küche, wo er das Menü nun umsetzen wird. Der Gesamtkomposition des Desserts wird er damit aber nicht gerecht. Neben Mangospalten runden ein Mangosorbet und Limettencreme das Dessert und ein insgesamt sehr pointiertes Menü ab.

mango

Und die vorangegangene Aufregung des Gastkochs? Die ist am Schluss offenbar gänzlich vergessen: „Ich bin glücklich, hier zu sein und hoffe, dass es Ihnen geschmeckt hat und dass ich hoffentlich bald wieder beim Rheingau Gourmet Festival kochen darf und nicht wieder acht Jahre warten muss“, lacht Raue zum Abschied den Gästen zu.

raue

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